Gedanken zum Karfreitag

Von Pfarrer Peter Loos

Ein hoch aufgewachsener Mann ist wegen seines Bandscheibenschadens bei einem Physiotherapeuten in Behandlung. Der gibt ihm den Rat: Schreiben Sie auf einen Zettel das Wort aufrecht und heften Sie diesen Zettel an die Wand gegenüber Ihrem Schreibtisch. Jedes Mal, wenn Sie diesen Zettel sehen, richten Sie sich auf. Denn einen Fixpunkt muß der Mensch haben, sonst sackt er in sich zusammen.

Dieser Fixpunkt ist für mich der Cruzifixus, der gekreuzigte Jesus Christus. Der Evangelist Johannes im Neuen Testament fasst das, was an jenem Karfreitag geschehen ist, in dem einen kurzen Satz zusammen: Es ist vollbracht.

Es ist ein dreifaches, das da für uns vollbracht ist. Zum einen schafft der Gekreuzigte für mich eine neue Lebensqualität. Ob eine Kreuzesdarstellung schön ist oder nicht, mag eine interessante Frage für Kunstkenner sein. Für mich und meine alltäglichen Freuden und Sorgen trägt sie nichts aus. Durch den am Kreuz Angehefteten zeigt mir Gott, dass ich bei ihm die Altlasten meines Lebens entsorgen kann. Dort können wir all das ablegen, was unser Zusammenleben oft so sehr vergiftet. Wir brauchen das Spiel des Verdrängens und Abschieben von Schuld nicht mehr mitmachen. Wo wir auf das Kreuz als den großen Fixpunkt schauen, da können wir als Entlastete wieder aufrecht gehen.

Der, den Gott für mich ans Kreuz geschickt hat, eröffnet mir zum anderen auch eine neue Gemeinschaft. Immer dort, wo mir die Vergebung zugesprochen wird, und ich wieder aufrecht gehen kann, bin ich auch befreit wieder ganz anders auf meine Mitmenschen zuzugehen. Beziehungen, die durch mich vergiftet wurden, können durch mich wieder entgiftet werden. Das Zusammenleben, das von Angst und Misstrauen geprägt war, kann im hellen Licht des Vertrauens und der Zuneigung erlebt werden. Bei all dem, was auch und gerade im Namen von Religion an Hass, Unheil und Tod verbreitet wird, sind wir im Vertrauen auf den Gekreuzigten befreit, die Versöhnung zu leben.

Zum dritten eröffnet das Geschehen des Karfreitags für uns auch eine neue Zukunft. Zu den Irrtümern, die scheinbar unausrottbar sind, gehört die Behauptung, der Karfreitag sei der höchste evangelische Feiertag. Dass da jemand stirbt, das können wir wohl noch begreifen. Aber, dass Jesus gestorben ist, damit der Tod nicht das letzte Wort hat, das kann ich nur im Glauben erfassen. Am Ende der Matthäuspassion von Bach singt der Chor die Choralstrophe: "Wenn ich einmal soll scheiden, so scheide nicht von mir". Damit belässt es der Thomaskantor in seinem großen Werk nicht beim Karfreitag, sondern schaut hin auf Ostern. Der, der mich auch im Tod nicht fallen lässt und mich in seine neue Zukunft aufnimmt, ist der auferstandene Christus. Nein, Karfreitag ist nicht der höchste evangelische Feiertage. Der Gekreuzigte schafft eine ganz neue Zukunft. Und deshalb ist das wichtigste Fest aller Christen das Osterfest.

20.03.08
Neumarkt: Gedanken zum Karfreitag
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