"Nur vier Prozent"


Matthias Borst sprach bei der Versammlung zu den
BBV-Obmännern
NEUMARKT. Bei einer Info-Veranstaltung für BBV-Obmänner verteidigte Kreisobmann Martin Schmid Lebensmittelpreise und Bio-Kraftstoffe.

Unter dem Thema "Aktuelle Brennpunkte der Agrarpolitik in Brüssel und Berlin" standen aktuelle agrarpolitische Themen und Arbeitsfelder für die Ortsobmänner des BBV-Kreisverbandes Neumarkt im Mittelpunkt der Versammlung in Hollerstetten.

"Zentrale, agrarpolitische Brennpunkte sind aktuell für die Landwirtschaft die Reform der Erbschaftsteuer und die Gesundheitsüberprüfung der Umsetzung der Agrarreform im Jahr 2008 - Health Check", erläuterte Matthias Borst, Abteilungsleiter für Agrarpolitik im Generalsekretariat des Bayerischen Bauernverbandes bei der Kreisversammlung.

Am 26. Juni 2003 haben die EU-Agrarminister eine gravierende Reform der EU-Agrarpolitik beschlossen, die für alle europäischen Bauern einen gewaltigen Systemwechsel und enorme Anpassungen innerhalb der Zeitspanne 2005 bis 2013 umfasst. Vorangegangen sei dieser Entscheidung, dass die Staats- und Regierungschefs aller EU-Mitgliedstaaten zuvor einstimmig die Mittel der ersten Säule der EU-Agrarpolitik bis zum Jahr 2013 vereinbart hatten.

"Unsere Bauernfamilien verlangen zu Recht, dass die Politik bei den Ausgleichszahlungen für die in der EU im internationalen Vergleich sehr hohen Anforderungen im Umweltschutz, bei der Tierhaltung und bei der Lebensmittelsicherheit - der so genannten Betriebsprämie - Wort hält und diese wie beschlossen bis 2013 verlässlich bleiben", betonte Borst. Diese Ausgleichszahlungen seien für die Einkommenssituation aller bayerischen Betriebe von großer Bedeutung, da sie zwischen 30 und über 50 Prozent der Unternehmensergebnisse ausmachten. Deshalb lehne der Bauernverband jegliche Vorschläge für Kürzungen der Betriebsprämien über eine höhere Modulation, höhere Untergrenze oder den so genannten Artikel 69 strikt ab. "Der Bauernverband sagt Ja zu Vereinfachungen, aber auch klar Nein zu zusätzlichen Kürzungen beim Health Check", erläuterte Borst.

"Seit über zwei Jahren setzen wir uns intensiv dafür ein, dass Hofübergaben weiterhin einfach möglich bleiben", so Borst. Bei den immer noch laufenden Beratungen zur Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer müssten Regelungen am Ende stehen, die die Fortführung bäuerlicher Familienbetriebe sicherstellen. Hier gehe es um Perspektiven für die junge Generation und um den Schutz des Eigentums, betonte Borst.

In den politischen Beratungen habe der Bauernverband wichtige Grundlagen bereits erreicht, um eventuell Betriebszerschlagungen aufgrund einer anstehenden Hofübergabe zu vermeiden. Aktuell seien aber "wie im wahren Leben" noch ein paar wesentliche Detailfragen ordentlich zu regeln. Weiteres Thema waren die WTO-Verhandlungen. Die Forderung des Bauernverbandes bleibe unmissverständlich: keine weiteren Zugeständnisse und Erhalt eines wirksamen Außenschutzes. Dies sei gerade für sensible Produkte wie zum Beispiel Milch, Rindfleisch oder Zucker unerlässlich.

Anlässlich der aktuellen Schlagzeilen im Zusammenhang mit der Entwicklung der Nahrungsmittelpreise, den Biokraftstoffen und dem Hunger in der Welt, die einen völlig falschen Eindruck erweckten, stellte Martin Schmid, BBV-Kreisobmann Neumarkt, "einige Punkte klar".

Die aktuelle Diskussion müsse seriös geführt werden, um echte Lösungsansätze anzugehen. Tatsache sei, dass sich die Nahrungsmittelpreise gegenüber dem Vorjahr um 8,6 Prozent erhöht haben, nachdem sie sich über rund zwei Jahrzehnte deutlich unterhalb der allgemeinen Inflationsrate und somit erheblich inflationsbremsend entwickelt hatten.

Die Inflationsrate für Nahrungsmittel werde sich laut Experten der allgemeinen Inflationsrate anpassen. "Ich habe kein Verständnis dafür, dass in den Medien nicht erwähnt wird, dass die Bauern auf nachhaltig höhere Agrarpreise angewiesen sind, da ihre Kosten für Energie und Betriebsmittel um bis rund 40 Prozent und zum Teil mehr gestiegen sind und ihr Einkommen nach wie vor dem gewerblichen Vergleichslohn der Bundesregierung deutlich hinterherhinkt", betonte Schmid.

Eine weiterere Tatsache sei, dass in Deutschland die aktuelle Inflationsrate bei 2,3 Prozent liegen würde, wenn für die Haushalte die Teuerung von Energie außen vor bliebe. Insbesondere die nach wie vor jährlich um rund 80 Millionen Menschen wachsende Weltbevölkerung, ein gleichzeitig starker Anstieg der Nachfrage nach Getreide, Fleisch und Milchprodukten in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern aufgrund steigender Kaufkraft und die aktuellen historischen Tiefststände bei den weltweiten Vorräten an Agrarrohstoffen hätten zu Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln geführt.

Dies sei der Hauptgrund, nicht die Biokraftstoffe, für die im Jahr 2007 weniger als vier Prozent der Welternte an Getreide und Ölsaaten - in der Europäischen Union sogar nur zwei Prozent - verwendet wurden.

Ferner seien Hauptursache für den Hunger in der Welt vor allem Korruption, Bürgerkrieg und kein freier Zugang zu Boden, zu Kapital und zu Bildung in den besonders betroffenen Ländern. Diese fundamentalen Rahmenbedingungen von "good gouvernance" ließen sich aber nicht durch die Agrarpolitik lösen.

Etwa zwei Drittel der hungernden Menschen in der Welt seien Bauern. Wenn diesen Bauernfamilien durch die örtlichen Regierungen das nachhaltige Recht auf Grund und Boden gesichert würde, wäre dies schon ein grundsätzlicher Schritt, um schrittweise ein Mindestmaß an Eigenversorgung über den heimischen Anbau von landwirtschaftlichen Kulturpflanzen zu ermöglichen. Gerade die aktuelle Situation in Simbabwe bestätige dies, da das Land einst die "Kornkammer Afrikas" war und nun seit Jahren wegen des Bürgerkriegs auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sei.
18.04.08
Neumarkt: "Nur vier Prozent"
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