"Extrawurst" für Deining

NEUMARKT. Deining soll als "Modellgemeinde" helfen, in Bayern überbordende Bürokratie abzubauen.

Der Ort ist eine von zehn Testgemeinden, die für die Erweiterung der Handlungsspielräume von Kommunen und gleichzeitig zur "Entrümpelung" von Vorschriften und ausladender Bürokratie sollen. In der letzten Sitzung diskutierte der Gemeinderat über die Teilnahme an dem Versuchsprojekt des Freistaats Bayern.

Seit Jahren ist es erklärtes Ziel des Gesetzgebers, die Flut von Gesetzen und Verordnungen einzudämmen. Mit dem am 1. Mai 2007 in Kraft getretenen Gesetz zur Erweiterung und Erprobung von Handlungsspielräumen der Kommunen soll in bayernweit ausgewählten Modellkommunen die Freistellung von der Einhaltung von einzelnen Rechtsvorschriften in einem auf vier Jahre befristeten Versuch getestet und auf ihre Geeignetheit für eine landesweite Umsetzung geprüft werden.

Die Gemeinde Deining wurde zusammen mit neun anderen Gemeinden von insgesamt 2031 kreisangehörigen Gemeinden in Bayern als Modellgemeinde ausgewählt. Daneben testen vier kreisfreie Städte und neun Landkreise die Befreiungsvorschriften.

Deining wurde nicht zuletzt wegen der Kontakte von Bürgermeister Alois Scherer als stellvertretender Vorsitzender des Kreisverbands des Bayerischen Gemeindetags und als Vorsitzender der Kommunalpolitischen Vereinigung (KPV) im Landkreis zu den verschiedenen Ministerien als Testgemeinde ausgewählt. Außerdem sind die steten Bemühungen Deining beknnt, die Verwaltung zu verschlanken und überbordende Bürokratie abzubauen.

Für Deining sind vor allem drei der Deregulierungsvorschriften wichtig:

Denkmalschutzgesetz

In einer Verordnung kann die Gemeinde das Landesamt für Denkmalpflege über die Genehmigungsbehörde (Landratsamt) verpflichten, bei der Erteilung von denkmalschutzrechtlichen Erlaubnissen eine Frist von zwei Monaten einzuhalten. Bisher musste oft unzumutbar lange auf die im Einzelfall notwendige Stellungnahme des Landesamts für Denkmalpflege gewartet werden. Es entstand manchmal sogar der subjektive Eindruck, dass mit dem Faktor Zeit Maßnahmen abgeblockt werden sollten, hieß es. Mit der Genehmigungsfiktion nach Ablauf von zwei Monaten müssen künftig die notwendigen Stellungnahmen innerhalb eines vernünftigen Zeitraums vorliegen. In schwierigen Fällen kann die Frist einmalig um bis zu drei Monate verlängert werden; dies muss die Behörde jedoch innerhalb der besagten zwei Monate erklären.

Der Gemeinderat stimmte dem Erlass einer bis 2011 befristeten Verordnung zu. Alle Antragsteller aus Deining kommen nun künftig in den Genuss eines beschleunigten Verwaltungsverfahrens.

Schülerbeförderung

In einer Satzung der Gemeinde zur Schülerbeförderung kann die Verpflichtung und der Umfang der Schülerbeförderung abweichend von den Vorschriften des Schulfinanzierungsgesetzes und der Verordnung über die Schülerbeförderung geregelt werden. Es können sowohl bestehende Verpflichtungen ausgeklammert als auch weitergehende Verpflichtungen eingeführt werden.

Die gesetzlichen Vorgaben verpflichten die Gemeinde Deining bisher, die Grund- und Hauptschüler mit einem Schulweg von über zwei Kilometern zu befördern. Hauptschülern wird allerdings, wenn der Schulweg als nicht besonders gefährlich eingestuft ist, ein drei Kilometer langer Schulweg ohne Beförderungsanspruch zugemutet. Für die Hauptschüler aus Leutenbach, Tauernfeld, Mittersthal, Siegenhofen und Unterbuchfeld könnte dieses Szenario jederzeit Realität werden, wenn zum Beispiel ein Rechnungsprüfer den Schulweg als "nicht besonders gefährlich" einstuft.

Die zu testende Vorschrift gibt nun der Gemeinde die Möglichkeit an die Hand, die Beförderungspflicht selbst zu regeln. Der bisherige Umfang der Zuschüsse zur Schülerbeförderung bleibt dabei erhalten und die künftigen allgemeinen Anpassungen in Form der Anhebungen beim Haushaltsansatz des Freistaats bleiben garantiert.

In diesem Sinne entschied sich der Gemeinderat für den Erlass einer Satzung zur Regelung der Beförderung der Grund- und Hauptschüler im Gemeindegebiet. Demnach kommen alle Grund- und Hauptschüler, die außerhalb der Ortsteile Deining und Roßamühle wohnen, in den Genuss der Beförderung mit Schulbussen.

Eigenüberwachungsverordnung

Mit einem Gemeinderatsbeschluss kann die Verpflichtung zur detaillierten Darstellung der Ergebnisse der Eigenüberwachung der Abwasseranlage gegenüber dem Wasserwirtschaftsamt abgeschafft werden.

Die Kanaluntersuchungen sind Teil der Eigenüberwachung für Abwasseranlagen. Die Eigenüberwachungspflicht umfasst bei über 40 Kilometern Kanalnetzen in Deining insbesondere wiederkehrende Dichtheitsprüfungen, Funktionskontrollen bei den maschinellen Einrichtuntgen und bei den Messeinrichtungen sowie die Inaugenscheinnahme der wesentlichen Einleitungen in die Kanalisation.

Die behördliche Überwachung (durch das WWA) in diesem Bereich besteht darin, dass an Hand der Jahresberichte überprüft wird, ob und in welchem Umfang die Kanalnetzbetreiber die genannten Eigenüberwachungspflichten erfüllen. Dazu sind vom Bauhofpersonal umfangreiche Aufzeichnungen über die geprüften Strecken, über Zahl und Art der entdeckten Schäden und Auffälligkeiten, über die durchgeführten Reparaturen und über die noch ausstehenden Reparaturen sowie deren Behebung zu führen. Die Verwaltung hat diese Angaben aufzubereiten und dem Wasserwirtschaftsamt mitzuteilen. Manchmal entstand der Eindruck, dass mehr geschrieben und dokumentiert als vor Ort gearbeitet werden muss, hieß es.

Der Bürgermeister hat sich bislang in langen und kontroversen Diskussionen bis hinauf zum Ministerium vehement gegen diese "Fehlentwicklung" eingesetzt. Der Erfolg in Form eine entsprechenden Befreiungsvorschrift, wenn auch nur in der Erprobungsphase, gibt ihm Recht: In Deining kann nun erprobt werden, ob und wie die Überwachungspflichten auch ohne überhandnehmenden Papierkrieg erledigt werden kann.

Der Gemeinderat beschloss die entsprechende Abweichung von der Eigenüberwachungsverordnung und machte damit den Weg für den Verzicht auf die lästigen Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten frei, so dass sich das Personal besser den eigentlichen Aufgaben der Gemeinde widmen kann.

Die Staatsregierung erhofft sich aus den Erfahrungen der Modellkommunen Aufschluss zur Frage, wie sich die Lockerung der Vorschriften in der Praxis bewährt und auswirkt und ob eine landesweite Umsetzung möglich ist. In der vierjährigen Testphase wird deshalb ein kontinuierlicher Austausch mit den verantwortlichen Stellen beim Ministerium und dem Leiter der Bayerischen Staatskanzlei, Staatsminister Eberhard Sinner, erfolgen.

Es sei zu hoffen, dass durch die Ergebnisse der vierjährigen Testphase die Entbürokratisierungsvorschriften auf alle Kommunen ausgedehnt werden und dass der Erfolg zu weiteren Schritten zur Verschlankung der Verwaltung ermutigt, erklärte Bürgermeister Alois Scherer.
16.05.07
Neumarkt: "Extrawurst" für Deining
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