Am 1. Mai 1933 fotografiert

Von Dr. Frank Präger, Stadtarchivar


Dieses Foto entstand am 1. Mai 1933
(Zur Verfgrößerung auf die Foto klicken)
Das Umschlagfoto des Bildbands Neumarkt i.d.OPf. in der Reihe Archivbilder des Sutton Verlags konnte nun endlich zeitlich und thematisch eingeordnet werden. Als im Juli 2006 der Termin zur Druckfreigabe unmittelbar bevorstand, musste noch eilends ein geeignetes Titelbild ausgewählt werden. Mehrfach ging eine Reihe von Vorschlägen nach Erfurt, die aber vom Motiv oder der Qualität der Aufnahme nicht ausreichend waren. Erst bei der letzten Lieferung mehrerer Originalfotografien war etwas Passendes dabei. Da der Herausgeber auf diese letzte Bildauswahl keinen Einfluss mehr hatte, wurden auch keine Informationen zum Bild mitgeliefert, eine Beschreibung zum Bild fehlt daher im Bildband.

Die Originale erhielten das Stadtarchiv einige Zeit später zurück, wegen eines Umzugs verschwand das Couvert erst einmal aus dem Blickfeld. Anfragen von Käufern des Buches zu dem Umschlagfoto ließen es wünschenswert erscheinen, mehr darüber in Erfahrung zu bringen. Beim Einräumen des neuen Büros fand sich auch das Originalfoto wieder und ein Blick auf die Rückseite offenbarte die Aufschrift: "Tag der nationalen Einheit" 1. Mai 1933

Die politischen Maifeiern haben eine längere Vorgeschichte. Die Ursprünge liegen in den USA. Am 1. Mai 1886 begann in Chicago (Illinois) ein mehrtägiger, von den Gewerkschaften organisierter Streik. Man wollte eine Reduzierung der täglichen Arbeitszeit von zwölf auf acht Stunden durchsetzen. Bei einer Protestkundgebung am 4. Mai eskalierte die Gewalt. Acht Polizisten wurden von einem unbekannten Täter durch eine Bombe getötet. Bei dem anschließenden Aufruhr wurden mehr als 200 Arbeiter verletzt, eine unbekannte Zahl getötet. 1890 wurde der 1. Mai von der Internationalen Arbeiterbewegung erstmals weltweit mit Massenstreiks und Demonstrationen als "Kampftag der Arbeiterbewegung" begangen.

Die Weimarer Nationalversammlung bestimmte am 15. April 1919 mit 159 gegen 85 Stimmen bei 10 Enthaltungen den 1. Mai zum gesetzlichen Feiertag. Das Gesetz war aber nur auf den 1. Mai 1919 beschränkt, eine dauerhafte Festlegung scheiterte am Widerstand der Opposition, Teilen des Zentrums und der USPD. Erst im Jahr der Machtübernahme 1933 wurde der 1. Mai von den Nationalsozialisten wieder zum gesetzlichen Feiertag, zum "Tag der nationalen Arbeit" bestimmt. Am 2. Mai 1933 wurden im Deutschen Reich die Gewerkschaften verboten und die Gewerkschaftshäuser geplündert.

In Neumarkt waren bereits am 10. März 1933 bewaffnete SA aus Feucht und Altdorf zusammen mit Neumarkter SA zum Sitz der Freien Gewerkschaften marschiert und hatte dort Schriftmaterial konfisziert. Beim Kiosk Geiß beschlagnahmten sie Druckschriften, die angeblich jüdischen Ursprungs sein sollten, umstellten das Verlagsgebäude des Neumarkter Tagblatts und drangen zur Durchsuchung ins Gebäude ein. Bei den Behörden sammelten sie die schwarz-rot-goldenen Reichsfahnen ein und verbrannten diese zusammen mit dem gestohlenen Schriftmaterial vor dem Rathaus. Außerdem wurden ein Dutzend Neumarkter verhaftet und z. T. in Lager transportiert. Grundlage dieser Aktionen war die Bekanntmachung des Generals von Epp, der an diesem Tag in den Morgenstunden in München die Polizeigewalt übernommen hatte und sich auf § 2 der Verordnung zum Schutze von Volk und Staat berief.

Als in Neumarkt der Festumzug zum "Tag der nationalen Arbeit" veranstaltet wurde, wehte bereits seit längerer Zeit die Hakenkreuzflagge vom Rathaus. Dennoch erkennt man an der Fotografie – das Umschlagfoto des Bildbands zeigte nur einen Ausschnitt – deutlich, dass noch ein großer Mangel an Hakenkreuzfahnen geherrscht haben muss. Geflaggt war noch vorwiegend mit blau-weißen Landesflaggen und den alten schwarz-weiß-roten Nationalfarben aus dem Kaiserreich. Nur an zwei Häuser auf dem Bild erkennt man schon die Symbole der neuen Machthaber, die sich bei festlichen Anlässen in den folgenden Jahren noch massenhaft vermehren sollten.

Ein außergewöhnlich langer Artikel im Neumarkter Tagblatt beschrieb den ersten nationalsozialistischen Tag der Arbeit. Neben den Häusern waren auch Autos, Motorräder und Eisenbahnzüge geschmückt. Die neue Volksgemeinschaft zwischen Arbeitern und Arbeitgebern wurde beschworen, die "christlich-nationalen" Ideen Hitlers als wesenverwandt mit der christlichen Weltanschauung propagiert.

Die geschlossen zur SA übergetretene Stadtkapelle marschierte in Uniform früh um 6 Uhr durch alle Straßen und weckte die Bürger. Um acht Uhr fanden in den beiden Pfarrkirchen Festgottesdienste statt. Um neun Uhr wurden in allen größeren Betrieben nach Ansprachen des Arbeitgebers die nationalsozialistischen Flaggen gehisst. Um zehn Uhr sammelte sich der Festzug auf dem Tummelplatz. Pünktlich um 10.30 Uhr marschierte man auf der folgenden Route durch die Stadt: Hallertorstraße, Adolf Hitlerstraße, Hindenburgstraße, Holzgartenstraße, Ingolstädterstraße, Hitlerstraße, Dietrich Eckartstraße, durch das Untere Tor und im Gegenzug zurück zum Rathaus. Etwa 2000 Personen beteiligten sich aktiv oder passiv daran.

Der Zug war über einen Kilometer lang und sein Vorbeimarsch dauerte etwa 20 Minuten. Er war folgendermaßen gegliedert: Musik, Jungvolk, Katholische Jugendvereine, Christlicher Verein junger Männer, Kinder, die keiner Organisation angehören, Hitlerjugend, Behörden, NSDAP, Feuerwehr, Freiwilliger Arbeitsdienst Wurzhof und Arbeitsdienstlager Sulzbürg, Gewerbesekretariat, Gewerbe zu Fuß (z. B. Bäcker, Gastwirte, Metzger, Schneider usw.). Dazwischen fuhren die Wagen der Brauer, Stadtsparkasse, Pfleidererwerke, Werkmeister und des Trachtenvereins. Danach folgten die Industriebetriebe: Bleistiftfabrik; Expreßwerke, weitere je nach Ankunft, Christliche Gewerkschaften, Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund, Bund christlicher Arbeitsinvaliden, Kriegsbeschädigte, ehemalige Kriegsgefangene, Veteranen- und Kriegerbund, Krieger- und Kampfgenossen, Militärvereine je nach Ankunft, Gesangvereine, Katholischer Gesellenverein, Feuerschützenverein, Schützengesellschaft Tannenreis, Trachtenverein Edelweiß, Turnverein 1860, DJK., Stahlhelm und SA-Reserve. Dazu kamen aber noch verschiedene vorher nicht angemeldete Gruppen, Betriebe und Vereine.

Vor dem Rathaus sangen die beiden Gesangvereine ein Lied, die Stadtkapelle spielte auf, dann sprach Erster Bürgermeister Rössert über die Bedeutung des Tages der Arbeit und "feierte begeistert die Einigung des ganzen deutschen Volkes". Die Rede wurde mit dem gemeinsam gesungenen Deutschlandlied beendet. Anschließend sprach der Vorsitzende der NSDAP Neumarkt Johann Dotzer über die Bewegung Adolf Hitlers. Mit einem Heil auf den Reichskanzler und dem Horst-Wessel-Lied schloss die mittägliche Kundgebung.

Am Nachmittag gab es ein kleines Volksfest auf dem Tummelplatz. Am Abend wurde die Ansprache des Reichskanzlers über Lautsprecher verbreitet. Parteivorsitzender Johann Baptist Dotzer richtete danach einige Worte an die vor dem Rathaus Versammelten. Besonders ging er auf den Suizid eines Truppführers der Neumarkter Hilfspolizei in der Hubertus-Villa ein, was Gelegenheit zum Helden- und Totengedenken sowie dem Lied vom guten Kameraden bot. Ein Fackelzug ging die Hitlerstraße hinauf und zurück. Dann marschierte man zur Festhalle, wo ein Konzert der SA-Kapelle stattfand. Auf manche Gemüter wirkte diese erste nationalsozialistische Massenveranstaltung im wahrsten Sinne des Wortes umwerfend; 37 Neumarkter fielen in Ohnmacht und mussten von der Freiwilligen Sanitätskolonne versorgt werden.

Selbst an die Gegner des neuen Regimes dachte man. Der bayerische Innenminister hatte angeordnet, mindestens 2000 Gefangene – und zwar möglichst Arbeiter – aus der Schutzhaft zu entlassen. So wurden auch vier Neumarkter zum 1. Mai entlassen. Die Herrschaft mit Zuckerbrot und Peitsche hatte begonnen.
29.04.07
Neumarkt: Am 1. Mai 1933 fotografiert
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