Schuldner-Atlas: Neumarkt hinten
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NEUMARKT. Wie die Stadt, so seine Bürger: Die Neumarkter liegen bei der persönlichen Verschuldung am allerhintersten Ende in Deutschland.
Auch wenn der eine oder andere Neumarkter vielleicht gewaltig in den Miesen steckt: Insgesamt und im Durchschnitt machen die Neumarkter Landkreisbürger mit einer Verschuldungsquote von nur 5,55 Prozent dem Ruf der großen Kreisstadt als eine der reichsten Kommunen des Landes alle Ehre. Oberbürgermeister Thomas Thumann nannte es in seiner
Haushaltsrede in fast dreister Untertreibung nur "erfreulich", daß die Pro-Kopf-Verschuldung der Stadt bei lächerlichen 23,14 pro Kopf liegt. Der Durchschnitt im (auch nicht gerade am Bettelstab gehenden) Bayern ist 73 Mal so hoch und liegt bei 1695 Euro - von Kommunen wie Berlin einmal gar nicht zu reden...
Bei der persönlichen Pro-Kopf-Verschuldung liegt in der Oberpfalz nur noch der Landkreis Regensburg günstiger als der Landkreis Neumarkt. Das geht aus dem jetzt vorgestellten
SchuldnerAtlas Deutschland 2006 hervor, der
hier als PDF-Dokument (1001 KB) heruntergeladen werden kann.
Die Schuldnerquote für Deutschland beträgt demnach zum Stichtag
1. Oktober 2006 10,68 Prozent (Vorjahr: 10,43 Prozent).
Das heißt, rund 7,2 Millionen Deutsche oder mehr als jeder
zehnte erwachsene Einwohner gelten als überschuldet. Im
Vergleich zu 2005 entspricht dies einer moderaten Steigerung
um 180.000 Personen. Im Jahr 2004 lag der Anstieg
noch bei 470.000 Betroffenen – deutlich mehr.
Die Schuldnerquote liegt in den neuen Bundesländern
(11,35 Prozent, einschließlich Berlin) höher als im Westen
Deutschlands (10,55 Prozent). Insgesamt sind im Osten
Deutschlands rund 1,3 Millionen Personen als überschuldet
zu bezeichnen, im Westen rund 5,9 Millionen Personen.
Überschuldung liegt dann vor, wenn ein Schuldner die
Summe seiner fälligen Zahlungsverpflichtungen auch in
absehbarer Zeit nicht begleichen kann und ihm zur Deckung
seines Lebensunterhaltes weder Vermögen noch
andere Kreditmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Oder
kurz: Die zu leistenden monatlichen Gesamtausgaben
übersteigen die Einnahmen.
Die vertiefende Analyse belegt einen generellen und
zugleich besorgniserregenden Trend: Die Zunahme der
Schuldnerquoten ist häufig besonders stark in den Gebieten
zu verzeichnen, die auch in der Vergangenheit eine
überdurchschnittliche Schuldnerquote aufwiesen. Hingegen
erweist sich die Steigerung in schuldnerarmen Gebieten
meist nur als marginal. Kernstädte und Ballungsräume
weisen höhere Schuldnerquoten auf als ländliche Regionen.
Die Schlussfolgerung lautet: Die Schere zwischen
schuldnerarmen und schuldnerreichen Gebieten öffnet
sich. Überschuldung verdichtet sich räumlich und erzeugt
mutmaßlich neue Überschuldungsstrukturen, die zu einer
weiteren Festigung („Schuldenghetto“) beitragen können.
Bundesländer: Bayern vorn
Die niedrigsten Schuldnerquoten weisen – wie auch schon
im Vorjahr – die Bundesländer Bayern (7,7 Prozent; Vorjahr:
7,6 Prozent), Baden-Württemberg (8,1 Prozent; Vorjahr:
8,0 Prozent) und Sachsen (9,8 Prozent; Vorjahr: 9,5
Prozent) auf.
Schlusslichter sind – ebenfalls wie auch schon 2005 – die
Länder Sachsen-Anhalt auf dem drittletzten Platz mit einer
Überschuldung von 13,4 Prozent (Vorjahr: 13,0 Prozent),
Berlin (15,2 Prozent; Vorjahr: 14,8 Prozent) und Bremen
mit 15,3 Prozent (Vorjahr: 14,6 Prozent).
Bremerhaven ist Schlußlicht
Die Analyse der Verschuldungssituation in Deutschland
zeigt auf Basis der 439 Kreise und kreisfreien Städte ein
nochmals deutlich differenzierteres Bild. Die Spannweite
reicht 2006 von der niedrigsten gemessenen Schuldnerquote
im bayerischen Landkreis Eichstätt (4,2 Prozent /
rund 4.000 Schuldner; Vorjahr: 4,3 Prozent) bis hin zur
höchsten gemessenen Schuldnerquote in der Stadt Bremerhaven
(20,7 Prozent / rund 20.000 Schuldner; Vorjahr:
19,6 Prozent).
Platz zwei der am wenigsten von Überschuldung betroffenen
Kreise belegt Straubing-Bogen (5,1 Prozent; Vorjahr:
5,1 Prozent). Auf dem dritten Platz folgt Regensburg mit
einer Schuldnerquote von 5,3 Prozent (Vorjahr: 5,3 Prozent).
Am unteren Ende der Skala liegen vor Bremerhaven
die Städte Flensburg mit einer Schuldnerquote 18,6 Prozent;
Vorjahr: 18,0 Prozent) und Offenbach am Main mit
18,9 Prozent (Vorjahr: 18,4 Prozent).
Überschuldung: Männersache
Die überwiegende Mehrheit aller Verschuldungsfälle entfällt
auf Männer (66,9 Prozent; Vorjahr: 67,1 Prozent), obwohl
sie nur knapp die Hälfte der deutschen Bevölkerung
ausmachen. Der deutlich höhere Anteil männlicher
Schuldner lässt sich aus der Tatsache ableiten, dass in
vielen Fällen der Mann immer noch als „Haushaltsvorstand“
fungiert und für Verbindlichkeiten gerade zu stehen
hat oder in Schuldenangelegenheiten als formal Verantwortlicher
auftritt.
Überschuldung wird jünger
Ein weiterer Trend: Überschuldung wird jünger. Zwar sind
die meisten Überschuldeten – 14,7 Prozent – in der Gruppe
der 40 bis 49-Jährigen zu finden. Allerdings sind sowohl
hier als auch bei den 30 bis 39-Jährigen und den älteren
Altersklassen Rückgänge zu verzeichnen (bei den 40 bis
49-Jährigen um 0,2 Prozentpunkte; bei den 30 bis 39-
Jährigen um 0,9 Prozentpunkte auf 13,2 Prozent). Dagegen
steigt die Überschuldungsbetroffenheit bei den Jüngeren
an. Die Zahl der überschuldeten unter 20-Jährigen
stieg im Jahresverlauf um 0,3 Prozentpunkte auf 0,9 Prozent
– die der 20 bis 29-Jährigen um 0,5 Prozentpunkte
auf 8,5 Prozent.
Arbeitslosigkeit und Überschuldung zeigen, wie zu vermuten
war, eine hohe Korrelation. Vor dem Hintergrund der
weiter zunehmenden internationalen Arbeitsmarktkonkurrenz
und den damit verbundenen Arbeitsplatzverlagerungen
ist zu erwarten, dass Arbeitslosigkeit und Einkommensarmut
auch in Zukunft Hauptauslöser von Überschuldungsprozessen
bleiben werden.
Zwei Grundmuster der Überschuldungskarriere
Generell ist bei der Entstehungsgeschichte von Überschuldung
zwischen zwei unterschiedlichen Grundvoraussetzungen
zu unterscheiden, und zwar – vereinfacht formuliert
– dem armuts- und dem wohlstandsbasierten Muster.
Die Betroffenen des Armutsmusters kommen in der
Regel aus der so genannten Unterschicht, die durch Niedrigeinkommen
bzw. Arbeitslosigkeit oder nicht in Anspruch
genommene Sozialleistungen gekennzeichnet ist. Überschuldung
entsteht hier zur Sicherung der Existenz.
Auf
der anderen Seite stehen die Wohlstands-Überschuldeten,
die allen Schichten zuzuordnen sind. Ver- und Überschuldung
entstehen hier durch eine überhöhte Konsumneigung,
meist gekoppelt mit mangelndem Finanzwissen und
der Bereitschaft zur riskanten Kreditaufnahme. Diese als
„Experimentalisten“ bezeichnete Schuldnergruppe ist gekennzeichnet
durch ein hohes Lifestyle-Bedürfnis zur Unterstreichung
der eigenen Individualität.
05.11.06
Neumarkt: Schuldner-Atlas: Neumarkt hinten