Verschlungene Pfade

NEUMARKT. Ein bayerisches Hackbrett, eine Oud (Knickhalslaute), ein im Sinne des genialen amerikanischen Komponisten Harry Parch mikrotonal gestimmtes Marimbaphon, Violoncello, Schlagzeug und Bass: das war das Instrumentarium, mit dem die Müncher Ethno-Kultband „Embryo“ am Samstag ihren Auftritt in der Kneipenbühne begann.

Behutsam bewegten sich die Töne der sechs Improvisationsmeister aufeinander zu, schnell nahm das Publikum Platz auf einem weichen rhythmischen Klangteppich, folgte bereitwillig den verschlungen kreativen Pfaden einer unbekümmerten Musik, die „Embryo“ aus dem prallen orientalischen Fundus einer hoch komplizierten wunderbaren Musikkultur schöpft. Auf der Bühne wurde ein dichtes Netz aus feingesponnen Improvisationen gelegt - von innen durchwandert, bis ins kleinste durchdrungen, entwickelten die Stücke ihr Eigenleben.

Nach der Pause änderte sich das musikalische Bild radikal – nun improvisierte „Embryo“ in einer schwer zu beschreibenden Art psychedelischen Jazzrocks vor allem über Kompositionen von Mel Waldron, einem Monument des zeitgenössischen Jazz. Hinreißend interpretiert wurde etwa Waldrons „Cat Walk“ – Jazz auf Samtpfoten (Der 2002 im Alter von 77 Jahren verstorbene Pianist war übrigens selbst eine Zeitlang Mitglied bei Embryo). Voller Ekstase und Spielfreude, wurde das Konzert nun zu einem endlosen musikalisch wirbelnden Fluss, dem man sich nicht entziehen konnte.

Bei der Zugabe hielt es den Golly nicht mehr hinterm Tresen – er musste auf seinem Sopransaxophon einfach mitimprovisieren – der Beginn einer wunderbaren musikalischen Freundschaft?

Mastermind Christian Burchard (Hackbrett, Vibraphon, Schlagzeug) ist seit Mitte der 60er-Jahre musikalisch tätig und hat zusammen mit seinem langjährigen musikalischen Mitstreiter, dem ehemaligen Amon-Düül-II-Mitglied Dieter Serfas (Schlagzeug, Perkussion) blutjunge Musiker um sich geschart, die eine über 35 Jahre alte musikalische Idee auffrischen und weitertragen, um der wörtlichen Übersetzung von Embryo als „Lebewesen in der frühen Form der Entwicklung“ gerecht werden: mit von der Partie sind der russische Cellist Eleasar Werbitzky, der spanische E-Gitarrist und Lautenspieler Dravid Drusis, der junge Österreicher Valentin Altenberger am bundlosen E-Bass und nicht zuletzt Burchards Tochter Marja an Marimbaphon, Keyboard und Posaune.

Wer dieses ungewöhnliche großartige Konzertereignis verpasst hat, darf sich ärgern: zu Recht.
11.12.05
Neumarkt: Verschlungene Pfade
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