Vogelschützer schlagen Alarm


Die Vogelschützer fürchten einen weiter zunehmenden Rück-
gang von Tier- und Pflanzenarten - hier die Feldlerche.
Foto: LBV-Archiv/Tunka
NEUMARKT. Die Vogelschützer sehen den Bau großangelegter Biogasanlagen im Landkreis kritisch: besonders der Maisanbau bringe Probleme.

Die Kreisgruppe Neumarkt des Landesbundes für Vogelschutz (LBV) warnte jetzt in einer Pressemitteilung vor einem weiter zunehmenden Rückgang von Tier- und Pflanzenarten. Davon betroffen seien vor allem Arten der Feldflur, wie zum Beispiel bodenbrütende Vogelarten, Feldhasen, Fledermäuse, Acker- und Wiesenpflanzen aber auch Schmetterlinge und andere Insektenarten.

Seit dem Wegfall der subventionierten Flächenstilllegung im Jahr 2007 seien die Brachflächen um über die Hälfte zurückgegangen, erklärte Keisvorsitzender Dr. Bernd Söhnlein. Dadurch würden Lerchen, Finken und Ammern Lebensräume und winterliche Nahrungsreserven genommen. Darüber hinaus ließen nicht nur die hohen Körnermaispreise, sondern auch der vermehrte Anbau von Energiepflanzen die Anbaufläche von Mais von 2006 bis 2008 um fast 20 Prozent ansteigen. Gleichzeitig ging der Grünlandanteil in Bayern um rund fünf Prozent zurück.

Der LBV betrachtet mit Sorge, dass diese Entwicklung auch in der Region Neumarkt mit dem Einsatz von Mais als Gärstoff in Biogasanlagen Einzug hält. So benötige zum Beispiel die geplante Anlage in Lauterhofen eine Anbaufläche von 250 bis 300 Hektar. Das entspricht in etwa einer Größe von 350 Fußballfeldern. Der Maisanteil an den Rohstoffen soll bis zu 50 Prozent betragen.

Intensiv bewirtschaftete Maisfelder seien aus der Sicht des Artenschutzes "nahezu tote Flächen", in denen mit Ausnahme des Maiszünslers und der Wildschweine kaum mehr weitere Arten in der Lage sind, sich fortzupflanzen oder Nahrung zu finden. Jede Grünfläche in der Stadt weisw ein Vielfaches an Artenvielfalt auf.

Maisfelder brächten langfristig noch weitere erhebliche Probleme mit sich: Ein hoher Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln, die Zerstörung und Abtragung des Bodens und die dadurch auftretenden Folgeschäden (Erosion, Grundwasserverschmutzung, Eintrag von Feinstoffen in die Bäche).

Für diese Umweltfolgen müsse in aller Regel nicht der Erzeuger, sondern die Allgemeinheit aufkommen. Gerade auf den flachgründigen Steinböden um Lauterhofen sieht der LBV diese Problematik langfristig äußerst kritisch. Die ausufernden Wildschweinbestände seien nicht zuletzt auf den bereits in den vergangenen Jahren stark angestiegen Maisanbau zurückzuführen, da sie in den Maisfeldern hervorragende Versteck- und Futtermöglichkeiten vorfänden.

Die CO2-Bilanz von Biogasanlagen sei äußerst fragwürdig, wenn dort Mais eingesetzt wird, der vorher unter Einsatz von dieselbetriebenen Landmaschinen, konventionellem Dünger und Pflanzenschutzmitteln erzeugt wurde, hieß es von den Vogelschützern. Die Bezeichnung "Naturenergie" oder "Bio-Energie" sei – wenn man die Auswirkungen auf Natur und Landschaft betrachte – "ein Etikettenschwindel, mit dem der Bevölkerung eine umweltfreundliche Energieerzeugung vorgegaukelt" werde.

Der LBV will die Biogaserzeugung nicht generell verteufeln, heißt es in der Pressemitteilung weiter. Eine naturverträgliche Bioenergieerzeugung setze voraus, dass hauptsächlich Gülle, Grassilage oder Pflanzen- und Gehölzschnitt aus der Landschaftspflege als Gärstoffe verwendet würden. Außerdem sollten die Betreiber von Biogasanlagen ihre Lieferanten vertraglich verpflichten, einen bestimmten Anteil von Landschaftselementen (Ackerrandstreifen, Brachen oder naturnahe Wiesen) zu erhalten. "Das wäre nur legitim, denn die Stromerzeugung aus Biogasanlagen wird von den Stromkunden gerade wegen ihrer vorgeblichen Umweltfreundlichkeit subventioniert", erklärte Söhnlein.

Nach Ansicht des LBV gäbe es durchaus alternative Möglichkeiten zur Erzeugung von Bio-Energie, zum Beispiel durch die Anlage von zusätzlichen Waldflächen auf weitläufig ausgeräumten Jurahochflächen. Hierdurch ließe sich nachhaltig und ohne den energieaufwendigen Einsatz von Maschinen und Kunstdünger langfristig zur Verfügung stehende Biomasse gewinnen. Viele Biogasanlagen seien aber darauf ausgerichtet, "mit maximaler Rendite die Subventionen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes auszunutzen".

Das Jahr 2010 wurde von den Vereinten Nationen zum "Jahr der Biodiversität" erklärt. "Wir sind aufgerufen, die Vielfalt auf der Erde zu erhalten, nicht zuletzt auch aus purem Eigeninteresse", appelliert die LBV-Kreisgruppe. Mit dem Anbau einiger weniger kultivierter Arten, die nur mit dem Einsatz ganz bestimmter Pflanzenschutzmittel und der nötigen Gabe Mineraldünger gedeihen, greife man "massiv in das Ökosystem ein" und laufe Gefahr, dass gewisse Mechanismen nicht mehr funktionieren.

Der LBV fordere deshalb auch ein Umdenken der Landwirtschaftslobby. Die heimische Landwirtschaft habe eine enorme Vielfalt an Arten und eine lebenswerte Kulturlandschaft hervorgebracht, hieß es. Diesen Schatz sei man im Begriff zu verspielen. Deshalb erscheine es unumgänglich, dass der Gedanke der Nachhaltigkeit in der Landnutzung mehr Berücksichtigung finde als kurzfristige Gewinnmaximierung.

Für die Landwirte bestehe die Gefahr, dass sie in eine "Subventionsfalle" geraten, wenn – wie bei der Solarenergie – die garantierten Strompreise gekürzt werden, bevor die meist fremdfinanzierten Biogasanlagen abbezahlt sind.

Der LBV begrüßt Initiativen von Landwirten, die versuchen, über Qualität und regionale Erzeugung eine dauerhafte Existenzsicherung der bäuerlichen Betriebe zu erreichen, zum Beispiel die Initiative "Faire Milch". Die Europäische Agrarpolitik gäbe den Mitgliedsstaaten schon heute die Freiräume, die Verteilung der Subventionen an umweltschonende Landbewirtschaftung zu koppeln – in Deutschland würden "diese Spielräume aber leider bei weitem nicht ausgenutzt".
24.02.10
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