Vorstand räumt Fehler ein

"Deutschlands größter Sanierungsfall"
Foto:Pfleiderer
NEUMARKT. Viele Jahrzehnte war Pfleiderer der Neumarkter Vorzeigebetrieb, jetzt zählt er als "Deutschlands größter Sanierungsfall".
Vorstands-Chef Hans Overdiek mußte bei der außerordentlichen Hauptversammlung einräumen, "keinen guten Job gemacht" zu haben (
wir berichteten bereits kurz am Vormittag).
Spekuliert wurde schon viel über die dramatische Schieflage des Neumarkter Unternehmens, jetzt wurden die katastrophalen Zahlen auch von der Konzern-Spitze bestätigt: im letzten Jahr ist im Einzelabschluß ein Verlust von 345 Millionen Euro angefallen. Zum Vergleich: ein Jahr zuvor leistete sich Pfleiderer "nur" 59 Millionen Euro Verlust.
Das Eigenkapital des Unternehmens ist fast vollständig weg.
Ende 2009 hatte die Pfleiderer AG immerhin noch über 300 Millionen Euro in der Kasse. Zum letzten Jahresende ist dieser Betrag auf klägliche 22 Millionen zerronnen. Der dramatische Verlust des Eigenkapitals machte die außerordentliche Hauptversammlung auch notwendig.
Droht doch Insolvenz ?
NEUMARKT. Im späteren Verlauf der außerordentlichen Hauptversammlung ging es doch noch hoch her: Kleinaktionäre schimpften lauthals und drohten massive Schadensersatzforderungen an.
Vorstands-Vorsitzender Overdiek sagte dazu, ein erfolgreicher Widerstand der Kleinaktionäre gegen das Sanierungskonzepot könne zur Insolvenz führen.
Teilnehmer an der Hauptversammlung in Berlin hatten dem Vorstand eine "massive Desinformationspolitik" vorgeworfen. Ein Rechtsanwalt kritisierte, daß der Konzern über die drohenden Verluste erst im Februar berichtet habe. Dies müsse dem Vorstand aber schon viel früher bekannt gewesen sein.
Gar nicht gut kam in diesem Zusammenhang auch an, daß Vorstands-Chef Overdiek kurz vor Weihnachten ein persönliches Aktienpaket verkauft hat (
wir berichteten).
Vorstandsvorsitzender Overdiek räumte am Donnerstag bei der Versammlung in Berlin Fehler der Konzernspitze ein. Vor allem die riskante Expansionsstrategie, die Probleme auf dem nordamerikanischen Markt und die hohen Rohstoffpreis sind nach der Meinung vieler Beobachter für den Niedergang verantwortlich. Bei der "Expansion und Integration unserer nordamerikanischen Aktivitäten" habe man "operativ keinen guten Job gemacht", sagte Overdiek.
Übertrieben wurde es mit der Reue allerdings nicht: Overdiek verteidigte auch den Expansionskurs, der "richtig und notwendig" sei, "um Wachstum zu schaffen und neue Märkte für Pfleiderer zu erschließen".
Am ärmsten sind wohl die Altaktionäre dran, die seit 2007 mehr als 90 Prozent Kursverlust hinnehmen mussten: inzwischen ist der Kurs auf klägliche 1,01 Euro gesunken.
Dafür stehen die Chancen, daß das Neumarkter Unternehmen überlebt, gar nicht so schlecht:
wie mehrmals berichtet soll Pfleiderer nach einem "Kapitalschnitt" zum großen Teil seinen bisherigen Gläubigern gehören - Hedgefonds, die die Kredite billig von den Banken erworben haben.
Gleichzeitig sollen die Banken auf bis zu 40 Prozent der Kredite verzichten und dafür gut 30 Prozent der Aktien bekommen. 60 Prozent dürfte den Hedgefonds gehören, so daß der Anteil der Altaktionäre und der Familie Pfleiderer gering ausfallen wird.
Inzwischen gibt es auch eine Stellungnahme, warum die außerordentliche Hauptversammlung in Berlin und nicht - wie frühere ordentliche Versammlungen - in München oder auch Neumarkt stattfand: man habe in München oder Frankfurt kurzfristig keine geeigneten Räume gefunden, hieß es.
Aktualisierung: im Laufe des Donnerstags stürzte die Pfleiderer-Aktie weiter um über 15 Prozent auf 0,91 Euro ab und wurde damit zum
"Pennystock".
07.04.11
Neumarkt: Vorstand räumt Fehler ein