"Tolles Kompliment"
Von Dekan Richard Distler
Auch wenn in diesem Jahr das Hochfest Christi Himmelfahrt mit dem Feiertag 1. Mai zusammenfällt und dadurch ein Feiertag weniger ist: Dennoch:
Schon möchten wieder bestimmte Kreise der Wirtschaft an der bayerischen
Feiertagsordnung rütteln. Aber seltsamer Weise: Obwohl der Freistaat die
meisten Feiertage hat, ist in Bayern die Produktivität der Arbeitnehmer und
der Gewerbetreibenden mit die höchste in der Bundesrepublik.

Braucht vielleicht doch der Mensch den arbeitsfreien Sonntag und genügend Feiertage, um gut ausgeruht zu sein und andererseits besonders viel
leisten zu können ? Anscheinend versteht man in bayrischen Landen noch zu
feiern und zu leben, man versteht aber auch zu arbeiten. Als bei der Weltmeisterschaft im Jahr 2006 eine brasilianischer Sportreporterin für eine große
Zeitung in Rio auch von "Land und Leute in Deutschland" berichtete, da
war sie tief beeindruckt von unserer Sonn- und Feiertagsordung. Sie schrieb:
"In Deutschland heißt es nicht: Zeit ist Geld, sondern Zeit ist unendlich wertvoller als Geld. Die Deutschen leben keinen hysterischen Konsumrausch wie
wir in Brasilien. Das Leben wird zum Leben genutzt, nicht zum Einkaufen. Wenn jemand am Feiertag etwas braucht, dann muß er halt warten, bis
die Geschäfte wieder öffnen. Diese Deutschen verstehen zu leben".
Ist das nicht ein tolles, wenn auch ungewöhnliches Kompliment für uns
Deutsche ? "Sie verstehen zu leben". Genau dazu sind die Feiertage wie
z.B. der 1. Mai oder Christi Himmelfahrt da: Es geht darum, dass man wieder
lernt zu leben. Sonn- und Feiertage sind der Protest gegen die totale Ökonomisierung sämtlicher Lebensbereiche. Denn am Sonntag herrschen nicht die
Gesetze des Marktes, sondern die Gesetze der Menschlichkeit, der Gerechtigkeit, der Solidarität, der Familiengemeinschaft, der Freundschaft, der Freiheit und des Glaubens. Gerade das Hochfest Christi Himmelfahrt nimmt uns
alle Erdenschwere. Es eröffnet uns eine völlig neue Lebensperspektive und
besagt: Der Mensch ist kein Arbeitstier, kein nützlicher Idiot im Räderwerk
des Fortschritts, er ist keine Nummer, keine Ware, kein Gegenstand. Er ist
keine Eintagsfliege, die heute lebt, morgen stirbt und übermorgen vergessen
ist. Nein: Der Mensch ist für die Ewigkeit bestimmt. Er hat eine ewige Würde
und einen ewigen Wert. Er ist zwar ein Erdgeborener, aber er ist für den
Himmel und für die Gemeinschaft mit Gott bestimmt.
Dazu hat Jesus die
Tür geöffnet. Seitdem ist der Himmel offen für jeden. Seitdem lädt Gott
jeden ein, mitten im Leben immer wieder die Arbeit zu unterbrechen, den
Sonntag und die Feiertage zu feiern und Zeit und Gedanken der Ewigkeit
zu widmen. Deshalb brauchen wir mehr denn je auch die Feiertage, um
unsere Seele nicht zu verlieren und um unsere ewige Würde, Berufung und
Bestimmung nicht zu vergessen. Ohne Feiertage und freie Tage gibt es nur
Werktage, ohne sie kann kein Mensch die Last des Lebens aushalten.
30.04.08
Neumarkt: "Tolles Kompliment"