"Wachsende Problematik"
Sehr geehrter Herr Kultusstaatsekretär Freller,
Ihre
Pressemeldung vom 16. Januar überschrieben Sie mit dem Titel "Dem Rechtsextremismus keine Chance! Schulen und politische Bildung leisten Großartiges in der Demokratieerziehung".
Der Kreisverband der SPD und der JUSOS im Landkreis Neumarkt begrüßt ausdrücklich, dass nun auch das Kultusministerium die wachsende Problematik rechtsextremistischer Bewegungen in unserer Gesellschaft aufgreift.
Mehr als alle anderen Bevölkerungsschichten sind Kinder und Jugendliche gefährdet, auf rechte Parolen hereinzufallen und in die Fänge rechtsextremer Gruppierungen zu geraten. Entsprechend kommt der politischen Bildung an Schulen große Bedeutung zu, Heranwachsende zu Toleranz und nicht zu Intoleranz, zu Demokratie und nicht zum Rückzug von der Teilhabe an unserem Staat zu ermuntern.
Ihre Pressemeldung ließe allerdings schließen, dass es an Bayerns Schulen und unter Bayerns Jugendlichen keinerlei Berührungspunkte zu Rechtsextremen gibt. Das können wir aus unserer persönlichen Erfahrung in der Arbeit mit Jugendlichen leider nicht bestätigen. Eine Umfrage unter 250 Jugendlichen - vor allem Schülern - in unserer Region im Herbst des vergangenen Jahres zeigte nicht nur, dass zwei Drittel der Befragten in irgendeiner Form schon Berührung mit Rechtsextremen gehabt hat; sie zeigte auch, dass die Schülerinnen und Schüler mit den Problemen und Gefahren, die rechtsextreme Parolen bergen, nahezu ausnahmslos überfordert sind.
Damit sehen wir leider auch die Ergebnisse der FES Studie in der Praxis mehr als bestätigt.
Was Rechtsextremismus heute tatsächlich ausmacht, wird in den Schulen nur in den seltensten Fällen gelehrt.
Das Wissen um die Geschichte unseres Landes und die grauenhaften Folgen des Nationalsozialismus ist unabdingbar und wichtig. Jedoch hilft allein das nicht, um die von Ihnen erwähnte Demokratieerziehung Früchte tragen zu lassen und den Schülerinnen und Schülern das von Ihnen so benannte "Werte-Zuhause" zu geben. Zumindest die Rechtsextremen, die heute an Schülerinnen und Schüler
herantreten, haben die Erziehung zum "Ja zur parlamentarischen Demokratie" vergessen, die sie in ihrer Schulzeit genossen haben müssen.
Deutlich zeigt sich, dass die Schule weit hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt, echte Prävention zu betreiben.
An den bayerischen Schulen müssen verstärkt - auch fächerübergreifende - Projekte zum Thema "Rechtsextremismus heute und vor Ort" ermöglicht werden. Da gerade auch Musik oft zum Einstieg in die Szene wird, sind hier ebenso Ansatzpunkte vorhanden.
Die SchülerInnen müssen früh- und damit auch rechtzeitig schon ab der 7. Jahrgangsstufe informiert und in die Lage versetzt werden, den Parolen der Rechten kritisch begegnen zu können.
Die heutige Schulbildung beinhaltet es darüber hinaus nicht, zu lernen, sich gegen demokratiefeindliche und menschenverachtende Ideologien zur Wehr setzen zu können. Unter diesem Blickwinkel von Großartigem in der Demokratieerziehung zu sprechen, scheint mehr als fragwürdig.
Wir fordern Sie daher auf, die Hinführung der Schülerinnen und Schüler zur Demokratie an bayerischen Schulen stärker zu fördern und dabei auch neue Wege zu beschreiten, gezielte Handreichungen ständig aktualisiert an Lehrer und Schulleitung weiterzugeben und auch in den Lehrerfortbildungen dieses Thema aufzugreifen. Den Stellenwert des Sozialkundeunterrichts in den Schulen zu verbessern und die Einrichtung eines Schulfachs Politik wären hier nur erste Schritte in die richtige Richtung.
Hier befindet sich das Kultusministerium ganz klar im Zugzwang, der nächsten Generation das Wissen an die Hand zu geben, wie sie sich gegen die Feinde unseres demokratischen Rechtsstaats wappnen kann - und der Gefahr entgeht, den dumpfen Parolen rechter Stimmenfänger Glauben zu schenken.
Mit freundlichen Grüßen,
24.01.07
Carolin Braun (SPD-Kreisvorsitzender), André Radszun (JUSO Kreisvorsitzender)Neumarkt: "Wachsende Problematik"