Täter fühlte sich bedroht


Polizeipräsident Norbert Zink (Mitte), Polizeivizepräsident Thomas Schöniger (l.) und Leitender Oberstaatsanwalt Gerhard Neuhof bei der Pressekonferenz in Neumarkt

NEUMARKT. Der Messerstecher in einem ICE bei Seubersdorf leidet nach Ansicht der Staatanwaltschaft an einer „paranoiden Schizophrenie“.

Das sagte Leitender Oberstaatsanwalt Gerhard Neuhof am Sonntag bei einer Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft im Neumarkter Landratsamt.

Der 27jährige Syrer hatte am Samstag-Vormittag in dem fahrenden Zeug mit einem Klappmesser mit acht Zentimeter Klingenlänge wahllos auf Fahrgäste eingestochen und dabei vier Männer verletzt - einige davon schwer (wir berichteten mehrfach).

Inzwischen scheint festzustehen, daß der Täter bei seiner blutigen Attacke keine Mittäter und Mitwisser hatte, hieß es bei der Pressekonferenz. Bei einem ausführlichen Gespräch mit einem psychiatrischen Gutacher habe der Syrer gesagt, daß er sich vor der Tat „von der Polizei verfolgt“ fühle - obwohl die Polizei in Wahrheit zu dem Zeitpunkt keinerlei Ermittlungen gegen ihn führte. Die Polizei „schicke Leute, die ihn verrückt machen sollten“, wird der Mann weiter zitiert.


Tatsächlich hatte der Syrer seit seiner Ankunft in Deutschland im Jahr 2014 und seiner Anerkannung als Flüchtling im Jahr 2016 nur einmal zuvor Kontakt zur Polizei, als wegen eines kleineren Betrugsdelikts gegen ihn ermittelt wurde. Wegen dieser Tat ist er bereits verurteilt. Am Tag vor der Bluttat im ICE hatte der in Damaskus geborene Mann in Passau seinen Job verloren.

Der 27jährige Syrer griff während der Fahrt in dem ICE 928 Passau-Hamburg zwischen Regensburg und Nürnberg gegen 9 Uhr völlig unvermittelt einen 26jährigen Fahrgast an und verletzte ihn mit Messerstichen am Kopf schwer. Später sagte er zum psychiatrischen Gutachter, er habe sich von diesem Mann bedroht gefühlt. Unmittelbar nach dieser Attacke verletzte er zwei jeweils 60 Jahre alte Fahrgäste und fügte ihnen teilweise Schnittwunden an Kopf und Rumpf zu.

Dann wechselte der Täter den Wagon und attackierte einen 39jährigen Mann, der Stichverletzungen am Oberkörper davontrug. Insgesamt wurden also vier männliche Fahrgäste verletzt. Eine Frau mußte zudem wegen eines Schocks behandelt werden. Die zwei jüngeren Männer befanden sich am Sonntag weiterhin in Kliniken.

Gegen 9 Uhr traf bei der Polizei der telefonische Notruf einer jungen Frau ein, was einen Großeinsatz der Rettungskräfte auslöste.

Als erste trafen zwei Streifwagenbesatzungen der Polizei am inzwischen im Bahnhof Seubersdorf angehaltenen Zug ein. Eine Zugbegleiterin ließ die Polizisten in den ICE, wo sie mehrere blutende Verletzte und schließlich auch den mutmaßlichen Täter antrafen. Sie forderten den Mann mit vorgehaltener Schußwaffe auf, sich auf den Boden zu legen, was der Mann auch tat. Sie erhielten dabei Unterstützung von einer zufällig im Zug privat mitfahrenden Beamtin der Bundespolizei. Dann konnte der Mann widerstandlos gefesselt werden. Dabei habe er gesagt: „Ich bin krank; ich brauche Hilfe“. In seiner Hosentasche befand sich das blutverschmierte Klappmesser, die mutmaßliche Tatwaffe.

Spekulationen von Medien, der Syrer habe sich in einer Zugtoilette eingeschlossen, sind nicht richtig, hieß es am Sonntag bei der Pressekonferenz. Auch sei es zu keinen Kämpfen zwischen Täter und Fahrgästen gekommen.

Polizeivizepräsident Thomas Schöniger lobte das Verhalten vieler der rund 200 Fahrgäste im Zug, die nach der Bluttat erste Hilfe geleistet haben, darunter vor allem ein Arzt-Ehepaar. In Seubersdorf waren am Samstag rund 400 Einsatzkräfte vor Ort. Beamte der Bereitschaftspolizei durchkämmten nach der Festnahme des Täters den gesamten Zug, weil zu diesem Zeitpunkt noch nicht sicher feststand, ob es sich um einen Einzeltäter handelte.

Nach den Untersuchungen des Syrers durch den psychiatrischen Gutachter beantragte die Staatsanwaltschaft am Sonntag keinen Haftbefehl, sondern einen Unterbringungsbefehl in einem psychiatrischen Krankenhaus. Diesem Antrag entsprach der Ermittlungsrichter am Amtsgericht Nürnberg am Sonntag um 12.40 Uhr.

Für einen islamistischen oder terroristischen Hintergrund sehe man keine Anhaltspunkte, hieß es von Polizei und Staatanwaltschaft.

Der 27jährige Mann wurde ins Bezirksklinikum Regensburg eingewiesen. Die Staatsanwaltschaft führt die Ermittlungen wegen versuchten Mordes im Fall der ersten Attacke und zusätzlich wegen versuchten Totschlags, vorsätzlicher und gefährlicher Körperverletzung.
07.11.21
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Telefon Redaktion


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