neumarktonline Dokumentation

Verleihung des Kulturpreises

an die Theatergruppe der Kolpingfamilie


Franz Nüsslein (2.v.l.) und Gerhard Hein (2.v.r.) inmitten der Stadtspitze bei der Verleihung des Kulturpreises.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Theaterfreunde von Kolping!

Vor knapp sechs Wochen konnten wir in einem beeindruckenden Festwochenende 150 Jahre Kolpingfamilie Neumarkt feiern. Das waren 150 Jahre Kirchengeschichte, 150 Jahre politische Geschichte, 150 Jahre Sozialgeschichte und zweifellos 150 Jahre Kulturgeschichte in Neumarkt.
Ich meine sogar: Kulturgeschichte von Neumarkt.

Neben dem religiösen Leben innerhalb der Kolpingfamilie prägte Kolping das kulturelle Leben Neumarkt.
Aushängeschild - heute würde man sagen PR-Schiene - und Herzstück zugleich - war schon sehr bald die Kolping-Theatergruppe. Sie brachte Geselligkeit, sie vermittelte Themen, sie formulierte und formte Meinungen, sie festigte Überzeugungen in einer Zeit ohne Zeitungen, ohne Radio, ohne Fernsehen.
Und - sie tut es bis heute!

Aus Anlass dieses großen Jubiläums hat der jahrelange Vorsitzende und aktive Schauspieler Emil Silberhorn die Geschichte der Theatergruppe sorgfältig recherchiert.
Blättert man in diesen Annalen, so lassen sich doch einige sehr markante Daten festhalten:

1875, also knapp 20 Jahre nach der Gründung von Kolping in Neumarkt, gab es die erste Theateraufführung im gerade erst erworbenen Gesellenhaus in der Adlergasse, heute Adolf-Kolping-Straße.
Vor ausverkauftem und begeistertem Haus wurde "Der Bauer als Millionär" gespielt.

1895, wiederum 20 Jahre später, errichtete man einen großen Saal mit einer eigenen Theater-Bühne.
Längst hatte man sich in die Herzen der Kolpingbrüder und vieler Neumarkter gespielt und die Bedeutung der Theaterarbeit erkannt. So gehörte das Theaterspiel wie selbstverständlich zum jährlichen Kolping-Stiftungsfest am Josephstag im März und natürlich auch zum Kolping-Gedenktag im Dezember.
Ein Stück hatte - im Gegensatz zum heute üblichen Dreiakter - damals freilich meist 15 Akte und dauerte gelegentlich bis weit nach Mitternacht, wie 1921 der "Kurier der Zarin".

1899 eröffnete man gleichsam eine neue Theatertradition: Man spielte "Open Air", und zwar am Oberen Tor.
Für das Stück "Der Torschmied" bot sich natürlich dieses Ambiente hervorragend an.
Mit Beginn des Altstadtfestes 1990 war die Kolping-Theaterbühne gleich wieder dabei, zunächst auf der Brettlbühne am Oberen Markt, also gleichsam an den Ursprüngen ihres Open Air, später dann im Stadtgraben am Burgerhäusl.
Aus einem Geheimtipp für die Festbesucher hat sich längst ein Publikumsmagnet entwickelt mit treuen Stammgästen und mit viel Freude an den Schwänken von Hans Sachs.

Ab 1921 probte der Lehrlingsverein von Kolping - man nannte Kolping schließlich immer noch "Gesellenverein" - spezielle Kinderstücke ein, die sich zur ganz besonderen Attraktion der Weihnachtszeit entwickelten und dem pädagogischen Auftrag von Kolping entsprachen.

Parallel zur spielerischen Tradition hatte sich - für Kolping typisch und nahezu selbstverständlich - eine soziale Tradition entwickelt: Die Erlöse flossen nicht nur in die Vereinskasse, sondern kamen immer auch einem sozialen Zweck zugute, z.B. 1905 den Leidtragenden eines großen Brandes in Leutenbach.
Diese Tradition gilt noch heute und reicht inzwischen weit in die Welt, in die Dritte Welt hinaus.

1926 wurden das Kolpinghaus und damit Theatersaal und Theaterspiel selbst ein Opfer der Flammen. Das Theaterleben stagnierte, bis 1934 das neue Gesellenhaus feierlich eingeweiht wurde.

Das Weihnachtstheater "Die Geigermette" durfte allerdings im Winter 1934 schon nicht mehr aufgeführt werden, denn der NS-Staat hatte auch in Neumarkt das öffentliche, kulturelle und religiöse Leben ideologisch gleichgeschaltet.

Im April 1945 versank zusammen mit der Neumarkter Altstadt das Kolpinghaus erneut in Schutt und Asche.
Auch das einst so lebendige Vereinsleben mit der blühenden Theatertradition war zerstört.
Bei Kriegsende hatte Kolping gerade noch 16 Mitglieder.
Viele Männer waren gefallen, viele waren noch in Gefangenschaft, und manche der in der Heimat Verbliebenen hatten dem katholischen Verein aus Furcht vor Repressalien den Rücken gekehrt.
Eine Doppelmitgliedschaft in NSDAP + Kolping war schließlich untersagt.

Als im Dezember 1948 das neue Kolpinghaus schöner und größer als je zuvor eingeweiht werden konnte, war dies vor allem auch ein bedeutender Tag für die Theatergruppe.
Im neuen Zentrum des kulturellen Lebens in Neumarkt wurde als erstes Stück nach dem Krieg der "Teufelsschlosser" mit Emil Silberhorn in einer tragenden Rolle gespielt.

Doch nicht nur das Volks- und Bauerntheater nahm man sich vor.
Im Jahr 1951 präsentierte der Theaterverein erstmals mit Heinrich von Kleists "Der arme Heinrich" ein klassisches Stück:

Wegen oder gerade trotz der harten, oftmals entbehrungsreichen Jahre der Nachkriegszeit erfuhr das Theaterleben der Kolpingfamilie nun einen fulminanten Aufschwung.
In den 50er, 60er und 70er Jahren gehörte das Kolpingtheater zu einer der wichtigsten Kulturinitiativen der Stadt.
Es prägte die Theatertradition ganz entscheidend, die Neumarkter Schlossspiele kamen ja erst 1981 als weitere große Laienspielgruppe hinzu.

Besonders unter Josef Meier, dem Regisseur von 1963 bis 1993, erlebte das Kolpingtheater in Neumarkt eine bislang nie da gewesene Blüte. Unzählige Erfolgsschlager des Bauern- und Volkstheaters wurden auf die Bühne gebracht und mit überwältigendem Beifall belohnt.
Die großen Stars und Publikumsmagneten wie Ludwig Buchner und Emil Silberhorn sind heute noch unvergessen.

In den stark politisierten und polarisierten 60er Jahren wagte man sich sogar an zeitkritische Stücke.
Das eindrucksvolle Schicksal eines amerikanischen Soldaten bei "Treffpunkt Korea" wird manchem der hier Anwesenden noch im Gedächtnis sein. 1976 erhielten Sepp Meier und seine Schauspieler im Hans-Sachs-Wettstreit mit dem Stück "Der alte Buhler mit seiner Zauberei" den Ersten Preis im Laienspiel-Wettbewerb des Bezirks Oberpfalz. In der Begründung der Jury hieß es u.a.:
"Der Regie gelang es, die Gruppe zu einer geschlossenen und fesselnden Leistung zu bringen."

Sepp Meier war es auch, der 1984 und 1989 mit seinem Engagement und seiner Regieführung neue Akzente in den Neumarkter Passionsspielen setzte, die nun nicht mehr im "Häusl" an der Kolpingstraße, sondern vor ganz großem Publikum in der Kleinen Jurahalle stattfanden.

Zu Sepp Meiers starker Truppe gehörte seit 1977 Gerhard Hein, der schließlich 1993 die Nachfolge als Regisseur antrat. Er inszenierte im Jahre 1999 die Passionsspiele und denkt schon heute intensiv über eine Neuinszenierung im Jahre 2009 nach.

In Franz Nüsslein, dem derzeitigen Vorsitzenden der Kolpingfamilie, hat Gerhard Hein nicht nur einen treuen Freund, sondern vor allem auch eine zuverlässige organisatorische Unterstützung der Theatergruppe gefunden.
Schon als 12-jähriger war Franz Nüsslein bei Schwester Benediktina im Kinderstück "Die Mondrakete" aufgetreten, und seither hat ihn die Theaterleidenschaft nicht mehr losgelassen.

Das eingespielte Team Hein/Nüßlein sowie die unkomplizierte Hilfe und der Rückhalt der eigenen Familien, der Freunde und der Bekannten sind Garanten für den Erfolg der jährlichen Inszenierungen.
Circa 15 Personen engagieren sich heute als aktive Schauspieler in der Theatergruppe, im Hintergrund wirken aber mehr als 30 beim Bau der Bühnenbilder, beim Nähen der Kostüme, bei der Beschaffung der Requisiten, beim Schminken usw. mit.

Gerhard Hein setzt die Tradition der Theatergruppe auf einem anerkannt hohen Niveau fort.
Im Gegensatz zu früher ist die Konkurrenz im Veranstaltungskalender der Stadt Neumarkt weitaus größer geworden. Doch das Kolpingtheater hat und wird auch in Zukunft sein treues Publikum haben.

Die sieben Aufführungen des heurigen Lustspiels "Sei doch nicht so dumm" waren wieder ausverkauft.
Drei- bis viermal pro Woche haben Anni Fahle, Thomas Fries, Günther Gabsch, Hans Heimerl, Adolf Hübner, Rita Iberl, Christine Nüßlein, Heike Winter und Angelika Zankl mit Gerhard Hein geprobt.

Jeder Spieler ist bereit, Freizeit zu opfern und Privates hintan zu stellen. Nach dieser Herbstaufführung folgt traditionsgemäß der Einakter bei der Kolpingweihnachtsfeier.

Und natürlich spielt anschließend die Kolping-Theatergruppe für uns oben im Saal.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolping-Theaterleute!
Ohne den kameradschaftlichen Zusammenhalt und ohne das Engagement vieler wäre eine solch kontinuierliche, über hundert Jahre währende Tradition im Laienspiel nicht möglich gewesen.
Dieses langjährige, überragende und oftmals vielen Zuschauern kaum bewusste Engagement der Neumarkter Laienschauspieler wird heute in dieser festlichen Weihnachtssitzung mit der Verleihung des Kulturpreises 2006 honoriert.
Dies hat der Stadtrat einstimmig beschlossen.
Wenn wir nun Urkunde und Scheck des Kulturpreises 2006 an Regisseur Gerhard Hein und an den Vorstand der Kolpingfamilie, Franz Nüsslein, überreichen, dann gratulieren und danken wir allen Theaterleuten der Kolpingfamilie vor und hinter dem Vorhang für ihren bemerkenswerten Einsatz und den kameradschaftlichen Zusammenhalt ohne Egoismus und Starallüren, was letztlich den Erfolg begründet.
Mit dieser Würdigung verbinde ich schließlich die Hoffnung, dass die Theatergruppe Kolping weiterhin mit einer festen Truppe auf einer festen Bühne steht und diese Auszeichnung eine starke, tragende Motivation für die Neumarkter Passionsspiele 2009 wird.

Arnold Graf
Bürgermeister und Kulturreferent
21.12.2006
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ISSN 1614-2853
21. Jahrgang