22.000 „Asbest-Fallen“?


Nach Ansicht der Gewerkschaften könnten in 22.000 Wohnhäusern im Landkreis Asbest stecken
Foto: Gewerkschaft
NEUMARKT. Im Landkreis Neumarkt könnten rund 22.000 Wohnhäuser bei Sanierungen zu „Asbest-Fallen“ werden, hieß es von der Gewerkschaft.

Das sind immerhin 54 Prozent aller Wohngebäude, die es heute im Landkreis gibt. Dazu kommen noch Gewerbegebäude, Garagen, Ställe und Scheunen in der Landwirtschaft.

Die Zahlen wurden im Rahmen einer Info-Kampagne zur Asbest-Gefahr für Bauarbeiter und Heimwerker bekannt.

„Von 1950 bis 1989 kamen Asbest-Baustoffe intensiv zum Einsatz. Es ist davon auszugehen, dass es in jedem Gebäude, das in dieser Zeit gebaut, modernisiert oder umgebaut wurde, Asbest gibt. Mal mehr, mal weniger“, sagt Manfred Götz von der IG Bau. Er spricht von „Asbest-Fallen“. In den vier „Asbest-Jahrzehnten“ wurden im Landkreis Neumarkt rund 22.000 Wohnhäuser mit 32.000 Wohnungen neu gebaut. Der stellvertretende Bezirksvorsitzende der Gewerkschaft verweist dabei auf die „Situationsanalyse Asbest“, die die Bau-Gewerkschaft beim Pestel-Institut in Auftrag gegeben hat.

Asbest ist ein krebserregender Stoff, aber wer in einem asbestbelasteten Haus wohnt, muss sich trotzdem erst einmal keine Sorgen machen, hieß es. Erst bei Sanierungsarbeiten werde es kritisch. Dann könne Asbest freigesetzt und damit zu einem ernsten Problem werden, sagt Manfred Götz. Er warnt vor einer „unsichtbaren Gefahr“, wenn Altbauten zu Baustellen werden: „Alles fängt mit Baustaub und dem Einatmen von Asbestfasern an“. Bauarbeiter und Heimwerker hätten kaum eine Chance, diese Gefahr zu erkennen.

Bis zu 30 Jahre dauere es, ehe es zur tragischen Diagnose komme: Asbestose – mit Lungen-, Bauchfell- oder Kehlkopfkrebs. Zum Komplett-Schutz bei einer Sanierung mit Asbest-Gefahr gehöre daher immer mindestens eine FFP3-Atemschutzmaske. Ebenso ein Muss: Overall, Schutzbrille und Handschuhe.


Altbauten im Landkreis Neumarkt seien ein „tonnenschweres Asbest-Lager“. Die krebserregende Mineralfaser stecke in vielen Baustoffen. Asbest ist oft im Putz und sogar in Spachtelmassen und Fliesenklebern - vor allem aber im Asbest-Zement. Daraus wurden vorwiegend Rohre, Fassadenverkleidungen und Dacheindeckungen gemacht. Eternit war typisch für den Westen, Baufanit für den Osten“, sagt Manfred Götz. Ein großes Problem sei Spritz-Asbest: „Hier sind die Asbestfasern schwächer gebunden. Sie können deshalb leichter freigesetzt werden. Vor allem Aufzugsschächte sowie Schächte mit Versorgungs- und Entsorgungsleitungen wurden früher intensiv mit Spritzasbest verkleidet“.

Die IG Bau spricht von einer neuen „Asbest-Gefahr“: Man stehe am Anfang von zwei Sanierungsjahrzehnten. Die energetische Gebäudesanierung werde enorm an Fahrt aufnehmen. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, wird auch im Landkreis Neumarkt in den nächsten Jahren ein Großteil der Altbauten angegangen. Dabei bleibe es in den meisten Fällen nicht bei einer reinen Energiespar-Sanierung: „Wohnhäuser werden modernisiert, senioren- und familiengerecht umgebaut. Es wird angebaut und aufgestockt, um mehr Wohnraum zu bekommen“, so Götz.

Mit der Sanierungswelle drohe deshalb jetzt auch eine „Asbest-Welle“ auf dem Bau. Sie sei eine Gefahr – für Bauarbeiter genauso wie für Heimwerker - allerdings bestehe keine unmittelbare Gefährdung für die Gesundheit der Bewohner. Bei einer Sanierung im bewohnten Zustand sei es allerdings wichtig, mit „allergrößter Sorgfalt professionell vorzugehen“.

Die IG Bau will der drohenden „Asbest-Welle“ auf dem Bau jetzt mit einem Maßnahmenpaket entgegentreten. Die Bau-Gewerkschaft hat dazu eine bundesweite „Asbest-Charta“ mit zentralen Forderungen für mehr Schutz vor Asbest vorgelegt.

Der Gewerkschafter fordert einen Schadstoff-Gebäudepass mit unterschiedlichen Gefahrenstufen für die jeweilige Asbest-Belastung eines Gebäudes. „Jeder Bauarbeiter und jeder Heimwerker muss wissen, auf was er sich einlässt, wenn er Fliesen abschlägt, Wände einreißt oder Fassaden saniert“, so Manfred Götz.

Er plädiert außerdem für eine staatliche Sanierungsprämie. Dazu müsse der Bund ein KfW-Förderprogramm „Asbest-Sanierung“ schaffen. „Das hilft, Kosten abzufedern, die bei einer – beispielsweise energetischen oder altersgerechten – Gebäudesanierung in asbestbelasteten Wohnhäusern zusätzlich entstehen. Außerdem ließe sich damit auch eine ordnungsgemäße Entsorgung von alten Asbest-Baustoffen sicherstellen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der IG Bau.
13.11.23
Neumarkt: 22.000 „Asbest-Fallen“?
Telefon Redaktion


Telefon Redaktion


neumarktonline - die Internet-Tageszeitung. Aktuelle Berichte, Meldungen und News aus Neumarkt in der Oberpfalz im Internet
ISSN 1614-2853
21. Jahrgang
Zur Titelseite neumarktonline
ISSN 1614-2853
21. Jahrgang
neumarktonline - die Internet-Tageszeitung. Aktuelle Berichte, Meldungen und News aus Neumarkt in der Oberpfalz im Internet
ISSN 1614-2853
18. Jahrgang