Kneipenbühne Oberweiling
"Dann wird alles gut..."

Kathrin Lemke
NEUMARKT. Viele (Profi-)Musiker orientieren sich am Geschmack des Publikums. Das ist ihr gutes Recht, denn schließlich wollen sie Erfolg haben oder gar berühmt und reich werden, brauchen (Selbst-)Bestätigung, um ihr kleines Seelchen zu heilen oder spielen ihr Instrument mehr schlecht als recht einfach nur, damit sie auch wer sind.
Und dann gibt es die anderen: denen geht es um die Musik. Denen geht es darum, diese köstliche Art menschlicher Kommunikation einen Schritt voranzubringen, Grenzen auszuleuchten, riskant sich an Extreme zu wagen, auf Hauptströmungen zu pfeifen. Solche wunderbaren Menschen waren am Samstag in Oberweiling zu erleben: Katrin Lemke und ihre innovativen Mitstreiter - alias
JazzXclamation - aus Berlin, der Schweiz und Österreich, zeigten mit kühnen Melodielinien, aberwitzigen Harmonieverbindungen und den dazu passenden Rhythmuspatterns, was da alles so möglich ist.
Peter Horisberger, technisch versiert und in allen Wassern musikalischer Herzlichkeit gebadet, legte etwa in "Quintenessenz" ein Schlagzeugsolo hin, bei dem nicht nur Kenner baff waren, Berit Jung zupfte und strich ihren Kontrabass auf eine Art, die einem Rock- oder Bluesgitarrero wie mit der Küchenbürste die Allüren aus den Ohren putzen würde, wäre er nur bereit, zuzuhören.
Zoran Terzik weihte das neue alte, frisch gestimmte Oberweilinger Kneipenklavier in die Geheimnisse der Musik ein und entlockte ihm Melodielinien, Klänge und Kaskaden, die sich das 100jährige Instrument - in der dunklen Dachkammer auf seine Bestimmung wartend - nicht im Traum hätte vorstellen können.
Und schließlich
Mastermind Kathrin Lemke, verantwortlich für die meisten der rauschhaften Musik-Eruptionen, erwies sie sich an Querflöte und Altsaxophon als ebenso virtuos wie witzig und allein schon die oft sehr sinnlichen Titel, etwa "Bubble Shooter", "Ixilon Yps", "Recycle Lurch (eine kleine Geschichte des Axolotls)" zeigten, mit wie viel Lust und Freude hier an die Knochenarbeit des Komponierens gegangen wurde.
Über den Titel der Ballade "Brokatrhinozerus" hat Frau Lemke lange nachgedacht, im "ovalen Portrait" (Edgar Allen Poes) springt sie mit ihren Mitstreitern mitten ins Herz des Blues und des Rock'n'Rolls - nur um dann das Blut mit Johann Sebastian Bach zu stillen.
Weiter so, dann wird alles gut!
05.04.09
Außergewöhnliche Musiker

"JazzXclamation"
NEUMARKT. JazzXclamation, ein Quartett aus Berlin, der Schweiz und Österreich, gastiert am Samstag in der Kneipenbühne Oberweiling.
Es gibt ein Wiedersehen mit außergewöhnlichen Musikern: Kathrin Lemkes Altsaxophonspiel ist geprägt von bizarrer und dennoch (oder gerade deswegen?) wunderschöner Melodik, ihre Läufe sind ebenso flüssig wie halsbrecherisch, ihre launigen Ansagen allein schon den Abend wert.
Berit Jung zeigt, was man aus einem Kontrabass herausholen kann: mit ebenso schnellen wie filigran durchsichtigen Läufen und Flageolett-Melodielinien im pianissimo hält sie ihr Publikum in Atem und straft Patrick Süskind Lügen.
Zoran Terzics Keyboardspiel ist geprägt von reicher Harmonik, unerwarteten witzigen Akkordverbindungen, und Peter Horisberger spielt seine Schießbude schnell und präzis - er würde wahrscheinlich sogar Lucky Luke in den eigenen Schatten verweisen.
Die vier stellen ihre neue, die zweite CD vor, die zwar nicht unbedingt von der Presse hoch gelobt, dafür aber richtig gut ist.
"Odds And Ends" heißt sie, die Neue, was soviel bedeutet wie "allerlei Kleinigkeiten", "Dies und das", "Krimskrams". Inspiriert vom Aufnahmeraum das unglaublichen Tito, der in einem ehemaligen Kino in Berlin-Wedding wirkt und werkelt, einem Konglomerat von Kisten und Kästen, Farben und Werkzeug, Instrumenten und Elektronik. So sind auch die neuen Aufnahmen zu verstehen: als Mischung von komplett Durchkomponiertem und Improvisiertem, vom Fragmenthaftem zum ausladend Erzählendem - entstanden in den unterschiedlichsten Kontexten, in denen sich die vier Musiker bewegen.
Seit der letzten CD "Aphrodite Goes Shoppin" ist einige Zeit ins Land gegangen; der Dalmatiner zieht nun anderswo seine Bahnen, die Kompositionen stammen nicht mehr ausschließlich aus der Feder der Chefin, und es gibt ein bisschen weniger Trash. Geblieben ist eine bestimmte Ästhetik in der Rauheit, die alles andere als grob daherkommt, sich mit Wohltönendem vermengt; in der furchtlos Klischees verwendet und zerstört werden; in der es nicht darum geht, sich beweisen zu müssen.
Und so kommen dem Hörer allerlei Assoziationen: Von quirlig urban über lax-marschhaft, von balkanesk zu balladesk, von irgendwie Coltrane und auch Monk bis zu ... eben
JazzXclamation.
04.04.09
"Unglaubliches Glück"

Voice & Strings
NEUMARKT. Am Samstag haben die Macher der Kneipenbühne zusammen mit ihrem Publikum das "unglaubliche Glück", der Regensburger Sängerin Steffi Denk und dem unvergleichlichen Gitarristen Hans Yankee Meier lauschen und dem absoluten Höhepunkt einer wunderbaren und im Ausklingen begriffenen Saison beiwohnen zu können: Seit fast 10 Jahren setzen Denk und Meier unter dem Namen
Voice & Strings nur mit Stimme und Gitarre Maßstäbe.
Sie gelten für viele als ein Ausnahme-Duo im poppigen Jazz & Soul-Bereich - eine unglaublich einfühlsame, vielseitige Sängerin, die vom gitarristischen Begleitorchester Hans Yankee Meiers geführt und getragen wird. Steffi Denk avancierte in den letzten beiden Jahren bei ihrer deutschlandweiten Tour mit der "SWR Big Band" und den Swing-Legenden Max Greger, Paul Kuhn und Hugo Strasser zu einer der "schärfsten Stimmen" im deutschsprachigen Bereich, während Yankee Meier der hohe technische und musikalische Standard eines Joe Pass oder Earl Klugh bescheinigt wird.
Darüber hinaus geben
Voice & Strings den von ihnen interpretierten Klassikern eine ganz eigene Prägung: bestechend durch ihre Homogenität, durch augenzwinkernden Spielwitz, ausdrucksstarke Wechsel zwischen intim-meditativen Momenten und eruptiven Steigerungen. Und das alles immer wieder gewürzt mit einer wohldosierten Prise Selbstironie und Humor.
Voice & Strings, das ist die kunstvolle Kultivierung von gitarristischem Klangzauber und souligem Gesang.
Die große Kunst von Steffi Denk und Hans Yankee Meier ist es, alles trügerisch leicht und einfach klingen zu lassen. Was viele andere Künstler als Beschränkung sehen würden, betrachtet das Duo als große Herausforderung: nämlich ihr Publikum einzig und allein mit Gitarre und Stimme zu fesseln. Und dies gelingt ihnen mit Bravour.
26.03.09
Meister der leisen Töne

Sammy Vomacka
NEUMARKT. Melancholie versteckt sich manchmal in launigen Geschichten.
So am Samstag, als ein Meister der leisen Töne in der gut besuchten Kneipenbühne in Oberweiling auftrat: Sammy Vomacka, einst einer der bekanntesten Gitarristen der deutschen Folkszene – in einem Atemszug genannt mit Werner Lämmerhirt und Hannes Wader – plauderte über vierzig Jahre Bühnenerfahrung, resümierte Zeiten, zu denen in Clubs noch getanzt und nicht in Discos gezappelt oder gehopst wurde, als Blues noch nicht zum gefundenen Fressen für armselige Selbstdarsteller verkommen konnte, als junge Menschen noch die Chance auf Protest hatten und ihr Outfit nicht im Handumdrehen von Muttern einverleibt und zur gesellschaftsfähigen Mode gemacht wurde.
Dass Profimusik knochenharte Arbeit ist und dennoch unvergleichlich viel angenehmer als am Fließband zu stehen, wissen auch alte Weggenossen von Sammy Vomácka; so etwa Beppo Pohlmann, der zusammen mit den Gebrüdern Blattschuss immer noch von den "Kreuzberger Nächten" leben kann und einfach nur Glück gehabt hat.
Vomácka ist ebenfalls ein Glückskind: er bereist auch ohne "Kreuzberger Nächte" weiterhin die Lande, tingelt von Club zu Club und fasziniert seine Zuhörer mit einer stillen und ganz und gar nicht prätentiösen Virtuosität, spielt "Nuages" von Django Reinhardt oder "Caravan" von Duke Ellington so locker, als wären das Etüden für Gitarrenanfänger – vom Meister mal so eben in den Raum gestellt, spielt und singt Blues von Robert Johnson, als ob er dessen Geist kurz einmal Freizeit von der alltäglichen Blueshölle gewähren wolle, brilliert mit Ragtimestücken wie Scott Joplins Ohrwurm "The Entertainer", hat ein paar eigene stilsichere Nummern wie "Buster's Rag" oder "New Rag" im Programm und erinnert mit "Diddie Wah Diddie" gleichermaßen an den großen Blind Blake wie an Ry Cooder, dem Vomácka übrigens in technischer Hinsicht locker das Wasser reichen kann.
Well done, Sammy!
22.03.09