"Schulden machen krank"


Hans Wiesner, Schuldnerberater der Caritas-Kreisstelle Eichstätt und Sprecher für diesen Bereich im Bistum, hofft, dass durch die Aktionswoche Schuldnerberatung Öffentlichkeit und Politik für den Zusammenhang von Schulden und Krankheit sensibilisiert werden.
Foto: Caritas/Esser
NEUMARKT. Am Beispiel eines ehemaligen Unternehmers aus dem Landkreis Neumarkt will die Caritas zeigen, daß Schulden krank machen können.

"Schulden machen krank – Krankheit macht Schulden": So lautet das Motto einer bundesweiten Aktionswoche vom 6. bis 10. Juni. Der Caritasverband für die Diözese Eichstätt unterstützt die Aktion der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung. Denn Zusammenhang und Wechselseitigkeit von Überschuldung und Krankheit spielen nach Erfahrung der Caritasberater im Bistum immer wieder eine Rolle. Der Caritasverband fordert vor allem die komplette Befreiung überschuldeter Personen von der Zuzahlung bei Therapien und Medikamenten, eine volle Versorgung bei Beitragsschulden bei Krankenkassen sowie ein Recht auf Schuldnerberatung für alle.


"Viele Überschuldete lassen ärztliche Untersuchungen nicht durchführen oder kaufen Medikamente nicht, wenn diese mit Zuzahlungen aus dem eigenen Budget verbunden sind", weiß Hans Wiesner von der Caritas-Kreisstelle Eichstätt, der auch Sprecher für die Caritas-Schuldnerberatung im Bistum Eichstätt ist.

Zwar könnten sich Betroffene ab einem bestimmten Betrag von der Zuzahlung befreien lassen. Doch zum einen sei für viele schon die Eigenbeteiligung ein Problem und zum anderen wüssten einige auch nicht, dass es grundsätzlich eine Befreiungsmöglichkeit gibt. Ein Problem sieht Wiesner auch darin, dass Menschen mit Schulden, die ihre Krankenkassenbeiträge nicht voll leisten können, keinen Anspruch auf das volle Leistungspaket haben: "Die gesetzliche Krankenversicherung kann dann das Ruhen von Leistungen bescheiden. In der privaten Krankenversicherung wechseln die Betroffenen in den sogenannten Notlagentarif", sagt der Caritasberater.

Als problematisch sieht es Wiesner auch, dass die öffentlich finanzierte Schuldnerberatung vorrangig auf "Hartz IV"- und Sozialhilfebezieher ausgerichtet sei. "Überschuldete Selbstständige bekommen dadurch zum Beispiel oft nur schwer oder spät einen Beratungstermin, den sie dringend brauchen".

Aus seiner Sicht muss es zu einem Wechsel im Denkansatz dahingehend kommen, "dass Schulden und Krankheit ein gesamtgesellschaftliches Problem darstellen, das im Rahmen einer öffentlichen Daseinsvorsorge für alle überschuldeten und überschuldungsgefährdeten Menschen angegangen wird". Der Caritas-Schuldnerberater verweist auf eine Studie an der Universität Mainz vor einigen Jahren, bei der fast 40 Prozent der Beteiligten die Aussage bejahten "Ich bin wegen der Schuldensituation krank geworden".

Ein Fallbeispiel dafür schildert die Schuldnerberaterin der Caritas-Kreisstelle Neumarkt Monika Dreßel aus ihrer Beratungsarbeit: Ein 50jähriger ehemaliger Selbstständiger hat 120.000 Euro Schulden. Ein Insolvenzverfahren will er nicht, da der gut ausgebildete Mann durch einen negativen Eintrag in der Wirtschaftsauskunftei Schufa berufliche Nachteile in Zukunft fürchtet.

So zahlt er seinen Gläubigern bis zu 65 Prozent seines Nettoeinkommens aus einer neuen Arbeit als Angestellter. Dennoch wollen diese schneller ihr Geld haben. Der Betroffene erkrankt an einer Depression, woraufhin er seine neue Arbeit nicht mehr ausüben kann und mit Krankengeld noch weniger Einkommen zur Verfügung hat. Er ist suizidgefährdet. "Schulden haben ihn krank gemacht und die Krankheit seine Schuldensituation weiter verschlimmert", sagt Monika Dreßel.

Bei einem anderen Klienten haben sich mehrere tausend Euro Rückstand bei der Krankenkasse aufgetürmt, weil dessen Arbeitgeber ihm keinen Lohn und damit auch nicht die Sozialversicherung zahlte. "Der junge Mensch ist frustriert und reagiert überhaupt nicht mehr", so die Caritasberaterin: Für solche Fälle des Unverschuldens fordert sie, dass bei den Krankenkassen keine Rückstände auflaufen dürfen.
pde
01.06.16
Neumarkt: "Schulden machen krank"
Telefon Redaktion


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