Gedanken zur Fastenzeit

Von Dekan Monsignore Richard Distler

Erst neulich habe ich den Satz gelesen: „Die Fastenzeit ist wie die Arbeitszeit eines Bildhauers, der mit Hammer und Meißel den rohen Stein bearbeitet, aber dabei schon das fertige Kunstwerk im Auge haben muss“. So ähnlich ist es also mit der Fastenzeit. Aber wer ist da der Bildhauer und wer das Kunstwerk? Das Kunstwerk sind wir und der Bildhauser ist Gott. Er möchte aus der manchmal recht rohen Form unserer menschlichen Existenz ein besonders wertvolles Kunstwerk machen und das vor allem jetzt in der Fastenzeit.

Wie aber passiert das? Trägt es zum Gelingen des Kunstwerks bei, sich am Aschermittwoch gute Vorsätze zu machen: „Ab morgen oder übermorgen wird alles anders und besser. Dann bin ich ein neuer Mensch“. Klappt das wirklich? Ehrlich gesagt, nur selten. Denn zur großen Veränderung ist kaum einer von uns fähig.

Die Veränderung und die Umkehr kann sich nur in ganz kleinen Schritten vollziehen, ähnlich wie der Bildhauer aus vielen kleinen Hammerschlägen sein Kunstwerk erstehen lässt. Dennoch gibt es da einen wichtigen Unterschied. Der göttliche Bildhauer nimmt uns mit ins Boot, er nimmt uns in die Mitverantwortung, damit sein Kunstwerk gelingen kann. Ein ähnliches Bild gebraucht auch der Prophet Jesaja, wenn er sagt: „Herr, du bist der Töpfer, wir aber sind der Ton in deiner Hand“. Unser Leben also wie ein kostbares Gefäß in der Hand des großen Töpfers Gott ? Aber wann wird dieses Kunstwerk fertig sein? Es ist erst fertig am Tag unserer Auferstehung. Genau daran erinnern uns die 40 Tage der Fastenzeit.


Denn ihr Ziel ist Ostern, das Fest der Auferstehung. Aber vergessen wir nicht manchmal dieses Ziel in der Gewöhnlichkeit des Alltags, im Stress von Arbeit und Beruf und in den kleinen und großen Sorgen des Lebens? Dieses lohnende Ziel vor Augen halten, das möchte uns der göttliche Töpfer und Bildhauer gerade jetzt in den heiligen 40 Tagen der Fastenzeit. Er möchte uns Mut machen, trotz der Vergänglichkeit unserer irdischen Existenz, trotz der Erfahrung des Karfreitags, trotz Irrwege, Fehlschläge und Hindernisse unseren Weg zuversichtlich weiter zu gehen. Denn das Ziel wird nicht schrecklich, es wird herrlich sein.

Wer aber auf dieses Ziel geduldig, achtsam, beharrlich und in kleinen Schritten zugeht, der macht die Erfahrung: Ich bin nicht allein, ein anderer geht mit mir. Er, Gott, der ganz Andere mag uns zwar manchmal fremd vorkommen wie einst den Emmausjüngern der geheimnisvoll-unerkannte Wanderer an ihrer Seite, der auferstandene Christus. Dennoch: Er wird uns führen und uns am Ende wie in Emmaus einladen zum österlichen Mahl, zum Hochzeitsmahl des ewigen Lebens. Erst dann werden wir ihn erkennen, ja wir werden erst dann erkennen, wer wir selber sind und was aus uns geworden ist. Es wird uns wie Schuppen von den Augen fallen, welch kostbares Gefäß der göttliche Töpfer und welch einmaliges Kunstwerk der göttliche Bildhauer aus unserem Leben und aus unserer Existenz geformt hat.

Mag sein, dass dann da und dort noch kleinere Risse, Unstimmigkeiten, Unebenheiten und Unschönheiten zu sehen sind. Dennoch, aus seiner Sicht wird er sein Werk als gelungen betrachten.
09.02.16
Neumarkt: Gedanken zur Fastenzeit
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