„Mensch gegen Minute“


Für das Komplett-Putzen eines 18-Quadratmeter-Büros hat eine Gebäudereinigerin gerade einmal 2 Minuten und 19 Sekunden Zeit

NEUMARKT. Wenn beim Putzen immer die Stoppuhr mitläuft: Reinigungskräfte im Landkreis Neumarkt kämpfen nicht nur gegen Staub, Dreck und volle Papierkörbe. Sie kämpfen immer häufiger vor allem gegen die Uhr.

Das hat die Gewerkschaft IG BAU Oberpfalz kritisiert. Von den Reinigungskräften werde verlangt, immer mehr Fläche zu machen – ohne dafür allerdings mehr Zeit zu bekommen.

Eine aktuelle Herbst-Umfrage der IG BAU unter Beschäftigten der Branche, an der auch Gebäudereinigerinnen und Fensterputzer aus dem Landkreis Neumarkt beteiligt waren, habe gezeigt: 57 Prozent der Reinigungskräfte haben in den letzten zwei Jahren ein größeres Reinigungsrevier zugewiesen bekommen – und das bei gleichbleibender Stundenzahl. Neun von zehn der Befragten hätten angegeben, bei der Arbeit unter großem Zeitdruck zu stehen.


„Das Putz-Tempo nimmt zu. Der Druck auf die Reinigungskräfte ist dabei enorm“, sagte IG BAU-Gewerkschaftssekretär Karl Toth. Es sei der Kampf "Mensch gegen Minute". Im Flur vom Altenheim, im Klassenzimmer, im Büro – das "Turbo-Putzen" sei überall dort, wo gewischt und gesaugt wird. Wenn eine Gebäudereinigerin exakt 2 Minuten und 19 Sekunden Zeit hat, um ein 18-Quadratmeter-Büro sauber zu machen, dann sei das „eine Unverschämtheit und Putz-Stress pur“, so Toth. Ein Großteil schaffe es gar nicht mehr, die zugeteilten Reinigungsflächen in der vorgegebenen Zeit zu erledigen.

Im Landkreis Neumarkt arbeiten nach Angaben der Gewerkschaft derzeit rund 720 Beschäftigte in der Gebäudereinigung. Davon seien jedoch 64 Prozent lediglich Mini-Jobber. Die IG BAU Oberpfalz schätzt, dass nur jeder dritte Arbeitsplatz in der heimischen Gebäudereinigung ein Vollzeit-Job ist. „Die Branche hat ein Vollzeit-Job-Problem: Immer häufiger werden reguläre Arbeitsplätze abgeschafft und durch Teilzeitkräfte oder Mini-Jobber ersetzt. Das Prinzip, das dahinter steckt, ist klar: Je mehr Menschen man beschäftigt, desto mehr Überstunden kann man denen auch aufbrummen“, so Karl Toth.

Die Branchen-Umfrage habe ergeben, dass 28 Prozent der Beschäftigten täglich Überstunden machen müssten. Darüber hinaus rechne gut die Hälfte der befragten Reinigungskräfte damit, immer wieder Mehrarbeit vom Arbeitgeber angewiesen zu bekommen. Als „besonders dreist“ wertet der Vorsitzende der Gebäudereiniger-Gewerkschaft im Landkreis Neumarkt, dass Überstunden in rund 30 Prozent der Fälle nicht einmal bezahlt würden. Das habe die Umfrage klar gezeigt.

Die IG BAU will die Arbeitgeber bei der nächsten Runde der Tarifverhandlungen am kommenden Donnerstag mit den Missständen im Gebäudereiniger-Handwerk konfrontieren. Darüber hinaus fordert sie ein Lohn-Plus. So soll etwa die niedrigste Lohngruppe für die Reinigungsbranche um 80 Cent auf dann 10,35 Euro pro Stunde angehoben werden.

Sollten die Bosse der Reinigungsfirmen bei ihrer bislang demonstrierten "Geiz-ist-geil-Mentalität" bleiben, stünden die Zeichen auf Sturm. „Der Frustfaktor unter den Beschäftigten ist jedenfalls hoch“, so Toth.
26.10.15
Neumarkt: „Mensch gegen Minute“
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