Verkehrte Welt

NEUMARKT. Wer mit wem ? Wer wird Bürgermeister ? Die Wähler haben im Neumarkter Stadtrat für eine völlig neue Situation gesorgt.

Alois Karl beispielsweise kehrt in einen Stadtrat mit komplett anderen Machtverhältnissen zurück. Bevor er vor zweieinhalb Jahren freiwillig den Chefsessel im Neumarkter Rathaus mit einem Hinterbänkler-Stuhl in Berlin tauschte, war die Welt für die Neumarkter CSU noch in Ordnung: OB Karl regierte mit einer absoluten CSU-Mehrheit, die praktisch allein die Geschicke Neumarkts lenkte. Freie Wähler, Sozialdemokraten, FLitZ oder Grüne durften zustimmen - und wenn nicht, war es auch egal.

Diese Zeiten sind gründlich vorbei. Ohne die UPW läuft im Neumarkter Stadtrat nichts mehr. Das geht so weit, daß die "Freien" sogar in die parteiinterne Personalpolitik der CSU hineinregieren können.

Offiziell hält sich die CSU bedeckt, aber hinter den Kulissen jagen sich nach der erneuten Watschn des Wählers die Krisengespräche : Wenn im neuen Stadtrat die Wahlen für die Stellvertreter von OB Thomas Thumann anstehen, hat zum Beispiel der amtierende Bürgermeister und CSU-Fraktionsvorsitzende Ferdinand Ernst schlechte Karten.

Die CSU hat zwar auf dem Papier gerade noch die einfache Mehrheit im Stadtrat, doch ohne Zustimmung der UPW kann sie kaum auch nur einen Stellvertreter-Posten durchsetzen. Und jetzt rächt es sich vielleicht, daß man in früheren Zeiten der absoluten CSU-Mehrheit die Wünsche und Anträge, einen Bürgermeister-Job der Opposition zu überlassen, "nicht einmal ignorierte", wie es jetzt ein damals gedemütigter Stadtrat frei nach Konrad Adenauer formulierte.

Es wird kaum daran gezweifelt, daß die UPW neben dem Oberbürgermeister auch einen der beiden stellvertretenden Bürgermeister stellen will - und dies auch problemlos durchsetzen kann. Wenn die CSU nämlich nicht mitspielt, wird es den "Freien" nicht schwer fallen, unter den übrigen Stadträten komfortable Mehrheiten für die Bürgermeister-Wahlen zu finden. Dann stellt eben die UPW den ersten Stellvertreter und beispielsweise die SPD den zweiten...

SPD-Stadträtin Gertrud Heßlinger könnte so doch noch zu Bürgermeister-Ehren kommen - die ihr im September letzten Jahres bei der Wahl zum Nachfolger des verstorbenen CSU-Bürgermeisters Erich Bärtl von einer geschlossen abstimmenden CSU verwehrt wurden (wir berichteten).

Die (von der UPW natürlich nicht öffentlich ausgesprochene) "Drohung" mit einem SPD-Bürgermeister wirkt in den Reihen der CSU: das geht so weit, daß man sich nicht nur notgedrungen mit nur einem Bürgermeister-Posten abfindet, sondern bei der Auswahl des CSU-Kandidaten auch noch auf das Wohlwollen der neuen "Herren" achten muß - verkehrte Welt im Neumarkter Stadtrat.

Als CSU-Bürgermeister würde die UPW - so ist zu vernehmen - den nicht mehr für den Landtag kandidierenden Herbert Fischer oder den jetzigen Bürgermeister Arnold Graf gerade noch "tolerieren". Die vornehmere Wortwahl ist "Wunschkandidat", wobei Herbert Fischer "Erste Wahl" wäre, weil er "mit dem OB gut kann". (Dies hätte übrigens den Vorteil, dass der Bürgermeister gleichzeitig "Volksfestreferent" wäre, was der von der CSU angestrebten Reduzierung der Referentenposten entgegen käme).

Auch bei den "Zwergen" im Neumarkter Stadtrat ist alles ein bißchen anders: Die Freie Liste Zukunft, die in der Vergangenheit kaum eine Gelegenheit ausließ, die UPW als willige Hilfskraft der CSU hinzustellen, legt den UPW-Wahlslogan ("Mehr Demokratie im Rathaus") plötzlich als "Wahlversprechen" aus, den kleinen Gruppen im Stadtrat eigentlich nicht zustehende Sitze in den wichtigen Ausschüssen zuzuschanzen.

"Durch ein Ja der UPW und der SPD zur Verteilung der Sitze nach dem so genannten Hare/Niemeyer-Verfahren, bekommen sowohl die Grünen, als auch FLitZ je einen Sitz und damit Stimme in den wesentlichen Ausschüssen", hieß es am Samstag in einer FLitZ-Pressemitteilung.

Damit will FLitZ offenbar vorbauen, falls die zaghaften Annäherungsversuche an die mit ebenfalls zwei Sitzen im Stadtrat vertretenen Grünen und die FDP-Stadträtin nicht zu einem "vernünftigen Zweckbündnis" (mit entsprechenden Sitzen und Stimmen in den Ausschüssen) führen. Obwohl sich FLitZ und die Grünen zum Beispiel im "Neumarkter Forum" schon mal wie Hund und Katze fetzen, ist die Freie Liste "sehr zuversichtlich", wie es tapfer in der Pressemitteilung heißt.
Wolfgang Meier
06.04.08
Neumarkt: Verkehrte Welt
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