In den letzten Kriegstagen wurden viele Gefangene – ganze Kolonnen Menschen – durch unser Dorf getrieben. Sie wurden von den deutschen Posten geschlagen. Wenn sie nicht mehr gehen konnten, wurden sie auf einen nachfolgenden Wagen, der von Pferden gezogen wurde, zu den Toten geworfen.
Wir Kinder standen am Weg. Diesen Umgang mit “Menschen” sahen wir – das kann man nie vergessen. Am 15.04.1945 war weißer Sonntag – “in aller Stille”. Am 16.04. fand ein schwerer Tiefflieger-Angriff auf Gnadenberg statt. Am Klosterberg wurde ein deutscher Munitionszug von den US-Streitkräften beschossen. Dabei war ein Toter zu beklagen.
Am Abend des 16.04. gingen alle Dorfbewohner in den Kirchenkeller der Familie Loos neben der Klosterruine.
Auch am 17.04. saßen wir alle im Keller auf Stroh. Es kam ein SS-Mann und schrie in den Keller: “Leute - seid froh, Gnadenberg wird verteidigt, ich habe in Neumarkt um Verstärkung bei der SS angerufen”.
Da rannte Frau Loos zu dem Soldaten und schrie so laut sie konnte: “Verlassen Sie sofort meinen Grund!” Der SS-Mann war so geschockt und ging ohne ein Wort. Wir alle weinten.
Frau Loos - eine geborene Winkler - war in Nürnberg verheiratet. Sie war mit ihren fünf Kindern wieder in Gnadenberg. Die “Winkler-Marie” – wie sie im Dorf hieß – hatte einen Plan.
Das Dorf musste gerettet werden. Michael Fuchs musste her. Ihre zwei großen Mädchen mussten in der Nacht vom 17.04. zum 18.04. durch den Schulhof zum Wald auf dem Bauch kriechend zur Hagenhausener Straße gelangen. Sie gab ihnen in einem Kartoffelsack ein weißes Betttuch mit. Fuchs musste eine Stange mitschleifen – und an die Stange banden sie das weiße Betttuch.
Sie krochen alle drei wieder durch den Wald zurück in den Kirchenkeller. Frau Loos und alle beteten, bis sie wieder da waren. Frau Loos weinte nach der Rückkehr ihrer Kinder und wegen der geglückten Aktion. Danach wurde Gnadenberg nicht beschossen und das Dorf konnte gerettet werden.“