Vor über 90 Jahren trat die Stadtkapelle erstmals in chinesischen Gewändern auf
Foto: obx-news/Stadt Dietfurt
NEUMARKT. 1928 trat die Stadtkapelle in Dietfurt erstmals in China-Gewändern auf. Aus diesen Anfängen hat sich eine Faschings-Großveranstaltung entwickelt, die heute jedes Jahr tausende Besucher aus ganz Deutschland nach "Bayerisch China" lockt - immer am „Unsinnigen Donnerstag“.
Zusatz-Busse nach Dietfurt
NEUMARKT. Am Unsinnigen Donnerstag werden zum Chinesenfasching in Dietfurt zusätzliche Busse auf der VGN-Linie 515 eingesetzt.
So fahren ab dem Bahnhof Neumarkt um 12.15 Uhr zwei Zusatzbusse, damit jeder rechtzeitig um 13.44 Uhr zum Gaudiwurm nach Bayrisch China kommt. Außerdem wird die Fahrt um 14.30 Uhr von Neumarkt nach Dietfurt mit einem zusätzlichen Bus verstärkt.
Am Umzug in der Chinametropole nehmen heuer 45 Fuß- und Wandergruppen sowie acht Musikkapellen teil.
Extra Rückfahrten ab Dietfurt, jeweils ab der Haltestelle Bahnhofstraße, sind eingerichtet für 18.27 Uhr und 20 Uhr. Insgesamt bestehen Busverbindungen von Neumarkt nach Dietfurt zwischen 6.44 Uhr und 19.30 Uhr sowie Rückfahrten zwischen 5.08 Uhr und 20 Uhr.
364 Tage im Jahr regieren in der 6000-Einwohner-Stadt Dietfurt eine SPD-Bürgermeisterin und die Beschaulichkeit. Dann erfreuen sich die Touristen am siebenstimmigen Glockengeläut der Stadtpfarrkirche St. Ägidius, bestaunen die barocke Wallfahrtskirche und das Franziskanerkloster.
Einmal im Jahr jedoch - stets von langer Hand geplant - versetzt eine "Revolution" das oberpfälzische Kleinod in Ausnahmezustand: Dann wird aus dem Erholungsort im Altmühltal für einen Tag ein Teil des mehr als zehn Flugstunden entfernten Reichs der Mitte. Immer am "Unsinnigen Donnerstag" in der Faschingszeit verwandelt sich die Stadt in "Bayerns Chinatown". Tausende Besucher aus ganz Deutschland werden sich auch in diesem Jahr die chinesische Invasion ins bayerische Kernland nicht entgehen lassen. Die Tradition reicht zurück bis ins 19. Jahrhundert, offiziell feierten die Dietfurter im vergangenen Jahr den 90. Faschings-Geburtstag.
Vom Rathaussessel bis zur Müllabfuhr, vom Restaurant bis zum Supermarkt - alles ist fest in chinesischer Hand. Dietfurts Bürger, ob groß, ob klein, schlüpfen in chinesische Tracht, stecken sich China-Zöpfe ins Haar und die Drogerie mit der gelben Hautschminke hat Hochkonjunktur. Eine Anekdote erzählt den Ursprung des verrückten Treibens, das den Dietfurtern den Titel "Bayerische Chinesen" einbrachte. Demnach soll irgendwann in der Stadtgeschichte der Steuereintreiber des Bischofs in das Städtchen gereist sein, um höhere Abgaben einzutreiben. Die Nachricht vom Besuch gelangte aber vor dem Steuereintreiber in die Stadt. Die Bürger verbarrikadierten die Tore und der Gesandte des Bischofs musste ohne Geld abziehen. Seinem Bischof erzählte er dann: Die verstecken sich hinter ihrer Mauer wie die Chinesen.
Ob die Erzählung stimmt, weiß auch in Dietfurt keiner so genau. Verbürgt ist aber ein Kalender von 1860 und eine wissenschaftliche Arbeit aus dem Jahr 1869, wo bereits damals die Dietfurter als Chinesen bezeichnet wurden und von einem Chinesen-Viertel die Rede ist. Der Grundstein für die Faschingstradition wurde aber erst 1928 gelegt, als die Stadtkapelle erstmals in China-Gewändern auftrat.
Schnell hat der Ruf vom Chinesenfasching weite Kreise gezogen - quer durch Bayern und ganz Deutschland. "Diplomatische Abordnungen" von Faschingshochburgen aus der ganzen Republik werden an der Proklamation des Kaisers Fu-Gao-Di teilnehmen und anschließend begleitet vom vielstimmigen "Kiliwau" in den Straßen der Stadt bis tief in die Nacht feiern. Kaiser Fu-Gao-Di heißt im richtigen Leben Manfred Koller, ist 49 Jahre alt und Brennstoffhändler. Der Name des Regenten heißt übersetzt so viel wie "glücksbringender großer Kaiser". Manfred Koller ist der 11. Dietfurter, den seine Mitbürger zum Faschingskaiser krönten.
Die gemeinsame Reise der Dietfurter ins ferne China beginnt am "Unsinnigen Donnerstag" sehr früh: Bereits in den Morgenstunden zieht eine 30köpfigen Meute mit viel "Lärm und Geschepper" kreuz und quer durch die Stadt. Auf ihrem Zug verkünden sie mit einem schallenden Weckruf den Beginn des "chinesischen Nationalfeiertags" in der oberpfälzischen Kleinstadt.
Mit etwa 15.000 Menschen rechnen die Organisatoren, wenn ab 13 Uhr auf der Bühne direkt auf dem Stadtplatz Akteure und Besucher dem Höhepunkt entgegen fiebern: dem legendären chinesischen Maskenzug, bei dem ab 14 Uhr etwa 45 Gruppen und viele leibhaftige Chinesen bei der Kaiserkrönung Fu-Gao-Dis für kurze Zeit "Chinatown" im Herzen Bayerns aufleben lassen. Das Motto des diesjährigen Festtages: "Bayrisch China ist einzigartig".