Bürgermeister gingen auf die Straße

NEUMARKT. Etwa 5.000 Bürgermeister, Stadt- und Gemeinderatsmitglieder, Landräte, Rathausmitarbeiter und kommunale Ehrenamtliche demonstrierten am Mittwoch in Berching gegen die kommunale Finanznot. (Wir berichteten bereits ausführlich)

Die Bürgermeister erstellen einen Forderungskatalog an die Bundes- und die Staatsregierung. Die Forderungen im Wortlaut finden Sie hier
Auf Plakaten und Transparenten forderten sie die Bundesregierung auf, den Städten und Gemeinden mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Die Bayerische Staatsregierung wurde aufgefordert, ihr Wort zu halten und als „Ausfallbürge“ für den Bund einzustehen, wenn dieser zum 1.1.2003 die Gemeindefinanzreform nicht umsetzt. „Es ist bereits fünf nach zwölf. Wenn den Gemeinden nicht rasch geholfen wird, gehen sie endgültig vor die Hunde“ rief Gemeindetagspräsident Dr. Uwe Brandl den aufgebrachten Kommunalpolitikern zu. „Unsere Bürgerinnen und Bürger erwarten für ihre Steuern entsprechende Leistungen der Gemeinden. Wir Bürgermeister fordern: Bund und Freistaat – gebt uns eine verlässliche Finanzgrundlage, damit wir wieder Dienstleistungen erbringen und öffentliche Aufträge vergeben können!“

Aus ganz Bayern waren Bürgermeister, Gemeinderatsmitglieder und sonstige von der kommunalen Finanznot Betroffene in die Stadt Berching gekommen, um ihrem Unmut über die Untätigkeit der politisch Verantwortlichen in Bund und Freistaat zur Behebung der kommunalen Finanznot freien Lauf zu lassen. Am frühen Nachmittag waren es geschätzte 5.000 Teilnehmer, die die vom Bayerischen Gemeindetag organisierte Großveranstaltung unter dem Motto „Rettet die Kommunen!“ zu einer bislang nicht gekannten Demonstration kommunaler Geschlossenheit machten. Gemeindetagspräsident Dr. Uwe Brandl rief die Bundesregierung dazu auf, den notleidenden Städten und Gemeinden durch sofortige Senkung der Gewerbesteuerumlage Geld in die leeren Rathauskassen zu bringen. Bundeskanzler Schröder forderte er zur Einhaltung seines Versprechens auf, am 1. Januar 2004 die versprochene Reform der Gemeindefinanzen in Kraft zu setzen.

Die Bayerische Staatsregierung rief er auf, sich stärker als bisher im Bundesrat für die gemeindlichen Interessen stark zu machen. Bayerns Innenminister Dr. Günther Beckstein, sicherte den Bürgermeistern zu, dass der Freistaat als Ausfallbürge für den Fall einspringen werde, wenn die versprochene Gemeindefinanzreform des Bundes nicht zum 1. Januar 2004 in Kraft tritt. Er nahm einen Forderungskatalog der bayerischen Kommunen entgegen, in dem unter anderem die schnellstmögliche Umsetzung des Konnexitätsprinzips und der in Aussicht gestellte Abbau bürokratischer Vorschriften enthalten ist. Dr. Gerd Landsberg, Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Städte- und Gemeindebunds forderte eine Revitalisierung der ausgehöhlten Gewerbesteuer auf Bundesebene und die Aufnahme des Konnexitätsprinzips in das Grundgesetz.

Dramatische Situation

Brandl wies in seiner Ansprache auf die dramatische Situation in Bayerns Gemeinden hin. 40 Prozent von ihnen können die Tilgungsraten für ihre Kredite nicht mehr erwirtschaften. Ein Privatunternehmen müsste bei gleicher Sachlage Insolvenz anmelden. Die Ursache liegt in einem dramatischen Einbruch der Steuereinnahmen – bei gleichzeitig ungebremstem Anstieg der Ausgabeverpflichtungen. 1,3 Milliarden Euro Rekorddefizit kennzeichnen die akute Finanznot der bayerischen Kommunen. Neben dem anhaltenden Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen (im Jahr 2001 minus 7,2 Prozent = 250 Millionen Euro minus; im Jahr 2003 minus 9,2 Prozent = 313 Millionen Euro minus) kommt neuerdings ein Wegbrechen der Einkommensteuerbeteiligung der Gemeinden hinzu. Für das laufende Jahr werden 6 Prozent weniger Einkommensteuerbeteiligung als im vergangenen Jahr prognostiziert. Damit fehlen weitere 250 Millionen Euro in den Rathauskassen.

Der kommunale Investitionsbedarf wird immer größer. Geschätzte 50 Milliarden Euro könnten Bayerns Städte und Gemeinden in Schulen, Kindergärten, Straßen und sonstige Infrastrukturmaßnahmen investieren – wenn sie nur das Geld dazu hätten. Handwerk und Industrie entgehen auf diese Weise dringend notwendige Aufträge. Die vom Staat angebotenen verbilligten Kredite helfen den Kommunen nicht. Viele Gemeinden sind bereits so stark verschuldet, dass sie haushaltsrechtlich solche Kredite gar nicht annehmen dürfen.

Brandl plädierte nachdrücklich für eine Revitalisierung der Gewerbesteuer. Künftig sollten auch Freiberufler Gewerbesteuer zahlen und ertrags- unabhängige Elemente, wie Mieten und Pachten, sollten als Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer dienen. Dem Reformmodell der Industrie, die Gewerbesteuer ganz abzuschaffen und den Gemeinden dafür ein Zuschlagsrecht zur Lohn- und Einkommensteuer einzuräumen, erteilte Brandl eine deutliche Abfuhr. Dies liefe im Ergebnis darauf hinaus, dass sich die Wirtschaft aus der Mitfinanzierung der kommunalen Infrastruktur komplett verabschiedet und „der kleine Mann“ noch stärker belastet würde. Dies sei, so Brandl, sozial nicht vertretbar. Völlig unverständlich nannte Brandl das Schneckentempo der Kommission auf Bundesebene zur Reform der Gemeindefinanzen. Er forderte Bundeskanzler Gerhard Schröder auf, hier auf schnelle Entscheidungen zu drängen und sein Versprechen zu halten, die Gemeindefinanzreform zum 1. Januar des kommenden Jahres in Kraft treten zu lassen. Von der Bayerischen Staatsregierung forderte Brandl, die Zusage einzulösen, dass der Freistaat als Ausfallbürge den bayerischen Kommune hilft, wenn der Bund seine versprochene Gemeindefinanzreform nicht zum 1. Januar 2004 in Kraft setzt. Des weiteren appellierte er an die Bayerische Staatsregierung, im Bundesrat die Interessen der bayerischen Städte und Gemeinden mit Nachdruck zu vertreten.



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